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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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mitzubekommen, was Joanna Ellacourt drüben, auf der anderen Seite des Zimmers, sagte. Sie war wütend und machte kein Geheimnis daraus.
    »Wunderbar, wie sie uns alle reingelegt hat, nicht? Sie muß sich köstlich amüsiert haben!« Die Schauspielerin warf einen sengenden Blick auf Irene Sinclair, die immer noch schweigend in dem tiefen Sessel weit ab von den anderen saß, als hätte sie das Gefühl, durch den Tod ihrer Schwester zum lästigen Eindringling geworden zu sein. »Und was glaubst du denn, wer von den kleinen Änderungen in dem Stück profitiert? Ich vielleicht? Nie im Leben! Aber ich lasse mir das nicht bieten, David. Verdammt noch mal, ich nicht!«
    David Sydeham versuchte sie zu besänftigen. »Es ist ja überhaupt noch nichts entschieden, Jo. Weit davon entfernt, gerade jetzt. Durch die Änderungen kann dein Vertrag leicht ungültig geworden sein.«
    »Kann, ja. Aber du hast ja den Vertrag nicht hier, nicht wahr? Wir können ihn uns also nicht ansehen. Du hast keine Ahnung, ob er wirklich ungültig ist. Aber von mir verlangst du zu glauben - dir zu glauben, nach allem, was passiert ist, daß eine bloße Änderung der Charaktere einen Vertrag ungültig macht? Verzeih mir, wenn ich das nicht schlucke. Du gestattest, daß ich lache! Schrill und ungläubig, mein Lieber. Und gib mir noch einen Gin.«
    Sydeham sah mit einer Kopfbewegung wortlos zu Robert Gabriel hinüber, der eine Flasche Beefeaters zu ihm hinschob.
    Sie war fast leer. Sydeham schenkte seiner Frau ein und schob die Flasche wieder Gabriel zu. Der packte sie und sagte lachend: »Ich faß dich nicht, und doch sah ich dich immer. - Komm, laß dich packen!«

    Gabriel grinste Joanna an und schenkte sich ebenfalls einen Gin ein. »Süße Erinnerungen an die Provinz, Jo, mein Herz. War das nicht unser erstes Mal? Hm, vielleicht nicht.« Es klang, als spräche er von einer Bettgeschichte und nicht einer Produktion von Macbeth.
    Ihre Schulfreundinnen waren vor fünfzehn Jahren scharenweise ins Theater gerannt, um den gutaussehenden Robert Gabriel zu bewundern, doch Barbara hatte nie etwas an ihm gefunden. Ähnlich ging es offenbar Joanna Ellacourt. Sie erwiderte seine Worte mit einem eisigen Lächeln, und ihre Augen schleuderten Blitze ganz anderer Art, als sie sagte: »Darling, wie sollte ich das je vergessen? Mitten im zweiten Akt läßt du zehn Zeilen unter den Tisch fallen und läßt dich dann bis zum Ende von mir huckepack tragen? Seit siebzehn Jahren warte ich nun darauf, daß diese unermeßlichen Gewässer sich endlich mit Purpur färben.«
    Gabriel lachte kurz auf. »Biest«, sagte er. »Auf dich kann man sich immer verlassen.«
    »Du bist betrunken.«
    Das stimmte mindestens zur Hälfte. Wie in Reaktion auf diese letzte Bemerkung stand Francesca Gerrard von dem Sofa auf, das sie mit ihrem Bruder, Lord Stinhurst, teilte. In dem Bedürfnis offenbar, die Situation in die Hand zu nehmen, vielleicht die Hoteleigentümerin hervorzukehren, wenn auch auf recht klägliche Weise, wandte sie sich an Barbara.
    »Wenn wir vielleicht etwas Kaffee haben könnten ...« Ihre Hand griff zu den bunten Perlenschnüren, die ihr wie ein Kettenhemd auf der Brust lagen. Die Berührung mit ihnen schien ihr Mut zu geben. Sie begann noch einmal, mit mehr Autorität. »Wir hätten gern etwas Kaffee. Würden Sie dafür sorgen, daß wir ihn bekommen?« Als Barbara nicht antwortete, wandte sie sich ihrem Bruder zu. »Stuart -«
    »Ich wäre Ihnen dankbar«, sagte er zu Barbara, »wenn Sie dafür sorgen könnten, daß wir Kaffee bekommen. Einige der Herrschaften hier haben ihn nötig.«
    Barbara war entzückt. Wie selten bot sich Gelegenheit, einen Earl in die Schranken zu weisen.
    »Tut mir leid«, erwiderte sie kurz. Dann sagte sie zu Helen: »Bitte kommen Sie jetzt. Ich vermute, der Inspector wird zuerst mit Ihnen sprechen wollen.«

    Helen Clyde fühlte sich flau, als sie zur Tür ging. Sie redete sich ein, es müsse daran liegen, daß sie den ganzen Tag nichts gegessen hatte; an diesem ganzen endlosen, schrecklichen Tag, dem Unbehagen, Stunde um Stunde im Nachthemd in einem Zimmer sitzen zu müssen, in dem es bald eiskalt, bald erstickend heiß gewesen war. An der Tür raffte sie mit aller Würde, die ihr zu Gebote stand, den Mantel um sich und trat in die Halle hinaus. Barbara Havers folgte ihr wortlos.
    »Alles in Ordnung, Helen?«
    Sie drehte sich um und sah dankbar, daß St. James auf sie gewartet hatte. Er stand im Schatten gleich neben der Tür. Lynley und

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