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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ausgemacht -, nur die Außenbeleuchtung hatte matt hereingeschimmert.
    Barbara sah an Lynleys Mienenspiel, daß er wußte, was kommen würde. »Er sah Davies-Jones«, sagte er.
    »Ja. Aber er kam aus der Bibliothek und nicht aus dem Speisezimmer, wo die Dolche hängen, Inspector. Er hatte eine Flasche in der Hand: vermutlich Cognac, den er mit zu Helen hinaufnahm.«
    Sie wartete darauf, daß Lynley ihr die unvermeidliche Folgerung präsentieren würde, die sie selbst schon gezogen hatte. Ein Abstecher ins Speisezimmer, um einen Dolch zu holen, war ebenso leicht zu bewerkstelligen wie ein Gang in die zehn Meter entfernte Bibliothek, um eine Flasche Cognac zu holen. Und es blieb die Tatsache, daß Joy Sinclairs Zimmertür zum Korridor abgeschlossen war.
    Doch Lynley sagte nur: »Und weiter?« »Nichts. Davies-Jones ging nach oben.«
    Lynley nickte grimmig. »Das tun wir jetzt auch.«
    Er stieg Barbara voraus die Hintertreppe hinauf, schmal, kahles Holz, nur von zwei nackten Glühbirnen erleuchtet, völlig schmucklos.
    »Was ist mit Mary Agnes?« fragte Lynley, während sie zum Westflügel hinaufstiegen.
    »Sie behauptet, die ganze Nacht nichts gehört zu haben. Nur den Wind, sagte sie. Aber den kann sie natürlich auch in Gabriels Zimmer gehört haben. Eins allerdings war merkwürdig, was sie mir erzählte.«
    Sie wartete, bis Lynley auf der Treppe vor ihr stehenblieb und sich nach ihr umdrehte.
    »Unmittelbar nachdem sie heute morgen die Tote gefunden hatte, holte Mary Agnes Francesca Gerrard. Und gemeinsam holten sie dann Lord Stinhurst. Er ging in Joys Zimmer, kam gleich darauf wieder heraus und befahl Mary Agnes, in ihr eigenes Zimmer zurückzukehren und dort zu warten, bis Mrs. Gerrard sie holte.«
    »Ich verstehe nicht ganz, Havers.«
    »Francesca Gerrard kam erst zwanzig Minuten später, um Mary Agnes zu holen. Und erst dann befahl Lord Stinhurst ihr, die anderen im Haus zu wecken und sie zu bitten, gleich in den Salon zu kommen. In der Zwischenzeit telefonierte er von Mrs. Gerrards Büro aus - es ist gleich neben Mary Agnes' Zimmer -, und sie konnte ihn sprechen hören.
    Und außerdem, Inspektor, hat er auch zwei Anrufe erhalten.«
    Als Lynley auf diese Information nicht reagierte, spürte Barbara wieder den Stachel der Unzufriedenheit. »Sir, Sie haben doch Lord Stinhurst nicht vergessen? Sie wissen, wer er ist: der Mann, der in diesem Augenblick eigentlich auf dem Weg zum Revier sein sollte, weil er Beweismaterial vernichtet, die Polize!in ihrer Arbeit behindert und einen Mord verübt hat.«
    »Das ist ein bißchen voreilig«, entgegnete Lynley.
    Seine Ruhe reizte Barbara. »Finden Sie?« fragte sie schroff. »Wann sind Sie denn zu dieser scharfen Erkenntnis gelangt?«
    »Ich habe bisher nichts gehört, was mich davon überzeugen würde, daß Lord Stinhurst Joy Sinclair getötet hat.«
    Lynleys Stimme war sehr ungeduldig. »Aber selbst wenn ich glaubte, daß er der Mörder ist, werde ich ihn ganz gewiß nicht aufgrund der Tatsache festnehmen, daß er einen Stapel Manuskripte verbrannt hat.«
    »Was muß er denn noch tun, damit Sie ihn festnehmen?« rief Barbara erregt. »Sie haben sich bereits entschieden, stimmt's? Aufgrund eines einzigen Gesprächs mit einem Mann, der die ersten zehn Jahre seiner Karriere auf der Bühne gestanden hat und wahrscheinlich heute hier seine glänzendste Vorstellung überhaupt geliefert hat, als er Sie um den Finger wickelte. Das ist wirklich ein Hammer, Inspector. Auf solche Arbeit können Sie stolz sein.«
    »Havers«, sagte Lynley leise. »Vergessen Sie sich nicht.«
    Barbara hörte die Warnung. Sie wußte, sie hätte klein beigeben sollen, aber doch nicht in so einem Moment, wo sie völlig im Recht war!
    »Was hat er Ihnen denn aufgetischt, daß Sie plötzlich von seiner Unschuld so überzeugt sind, Inspector? Daß er und Ihr Herr Papa gemeinsam in Eton waren? Daß er Sie gern häufiger in seinem Club in London sehen würde? Oder daß die Vernichtung des Beweismaterials mit dem Mord überhaupt nichts zu tun hatte und Sie sich auf sein Wort verlassen können, da er ja ein echter Ehrenmann von edelstem Geblüt sei, genau wie Sie.«
    »Wenn die Dinge so einfach lägen!« erwiderte Lynley nur. »Aber darüber möchte ich -«
    »- mit einer wie mir nicht sprechen. Ach, gehen Sie doch zum Teufel!«
    »Wenn Sie endlich lernen könnten, sich nicht immer gleich persönlich angegriffen zu fühlen, würden Sie vielleicht eine Frau werden, die Vertrauen verdient«, fuhr Linley sie an.

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