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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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warum ich mit dir geschlafen habe. Und vor allem wirst du dich entscheiden müssen, was du glauben willst, was ich in der Zeit getan habe, als du schliefst.«
    »Ich brauche mich nicht zu entscheiden«, erklärte Helen.
    »Für mich hat die Geschichte keine zwei Seiten.«
    Rhys' Augen verdunkelten sich. »Doch, sie hat zwei Seiten. Seine und meine. Und das weißt du auch.«

    Als St. James und Lynley den Salon betraten, sahen sie sofort, daß der Abend unerfreulich werden würde. Die allgemeine Stimmung, die Empörung darüber, daß man sich zum Abendessen mit New Scotland Yard an einen Tisch setzen sollte, war deutlich spürbar.
    Joanna Ellacourt, die sich in bühnenreifer Pose halb sitzend, halb liegend auf einer Chaiselongue beim offenen Kamin drapiert hatte, warf den beiden Männern nur einen eisigen Blick zu, ehe sie sich abwandte und zu ihrem Glas griff, um zu trinken. Die Gespräche der anderen, die sich auf Sofas und Sesseln rund um sie herum gruppiert hatten, verstummten, als Lynley und St. James eintraten.
    Lynley sah mit raschem Blick, daß einige noch fehlten, unter ihnen, wie er vermerkte, Helen und Davies-Jones. An einem Getränkewagen am anderen Ende des Raumes saß wie ein Wachposten Constable Lonan, die ganze Gesellschaft im Blick, als erwarte er, daß gleich einer oder mehrere sich zu neuer Gewalt hinreißen lassen würden. Lynley und St. James gingen zu ihm.
    »Wo sind die anderen?« fragte Lynley.
    »Noch nicht unten«, antwortete Lonan. »Die Dame dort ist auch eben erst gekommen.«
    Die bezeichnete Dame war Lord Stinhursts Tochter, Elizabeth Rintoul. Sie näherte sich dem Getränkewagen, als befände sie sich auf dem Weg zu ihrer eigenen Hinrichtung. Im Gegensatz zu Joanna Ellacourt, die sich zum Abendessen in fließenden Satin gehüllt hatte, als handle es sich um einen Anlaß von höchstem gesellschaftlichen Rang, trug Elizabeth einen hellbraunen Tweedrock und darüber einen voluminösen grünen Pullover, beides abgetragen und schlecht sitzend.
    Sie war fünfunddreißig Jahre alt, aber, dachte Lynley, sie sah weit älter aus, eine Frau, die ohne Grazie dem einsamen Leben der alten Jungfer entgegenschritt. Ihr Haar war, vielleicht in dem erfolglosen Bemühen, ein Tizianrot zu erzielen, in einem künstlichen Braunton gefärbt, der einen harten Kupferglanz hatte. Es hing ihr, von einer starken Dauerwelle gekräuselt, tief ins Gesicht, als hätte sie das Bedürfnis, die Welt heimlich durch einen Schleier zu beobachten. Farbe und Frisur legten nahe, daß sie sie nach einem Zeitschriftenfoto gewählt hatte, ohne ihre eigene Gesichtsform und die Farbe ihres Teints zu berücksichtigen. Sie war sehr hager, das Gesicht spitz und mager. An der Oberlippe hatten sich schon die ersten Kräuselfältchen des nahenden Alters eingekerbt.
    Ihr blutleeres Gesicht verriet ihr Unbehagen, als sie durch das Zimmer kam. Mit einer Hand hielt sie ihren Rock gefaßt und quetschte den Stoff zwischen den Fingern. Sie stellte sich nicht vor, hielt nicht einmal eine Begrüßung für nötig. Mehr als zwölf Stunden hatte sie darauf gewartet ihre Frage stellen zu können, und wollte jetzt nicht einen einzigen Moment länger warten. Sie sah Lynley nicht an, als sie sprach. Ihr Blick unter den grünblau getönten Lidern berührte nur flüchtig sein Gesicht, um den Kontakt herzustellen, und richtete sich dann beharrlich auf die Wand hinter ihm. Es war beinahe, als spräche sie zu dem Gemälde, das dort hing.
    »Haben Sie die Kette?« fragte sie.
    »Pardon?«
    Sie fuhr sich mit gespreizten Händen über den Rock.
    »Die Perlenkette meiner Tante. Ich habe sie Joy gestern abend gegeben. Liegt sie in ihrem Zimmer?«
    Von der Gruppe um den Kamin war Gemurmel zu hören, un!Francesca Gerrard stand auf. Sie trat zu Elizabeth und versuchte sie zu den anderen mitzuziehen. Sie vermied es, die Polizeibeamten anzusehen.
    »Es ist schon gut, Elizabeth«, sagte sie leise. »Wirklich. Es ist in Ordnung.«
    Elizabeth riß sich los. »Es ist nicht in Ordnung, Tante Francie. Ich wollte sie Joy von Anfang an nicht geben. Ich wußte, es würde nichts nützen. Und jetzt, wo sie tot ist, will ich sie wiederhaben.« Immer noch sah sie keinen an. Ihre Augen waren blutunterlaufen, was durch den Lidschatten noch hervorgehoben wurde.
    Lynley sah St. James an. »Waren Perlen in dem Zimmer?«
    St. James schüttelte den Kopf.
    »Aber ich habe ihr die Kette gebracht. Sie war noch nicht in ihrem Zimmer. Sie war drüben bei - Ich habe ihn gebeten -« Erregt brach

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