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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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weil Sie zu große Angst davor haben, sich auf andere Art mit mir zu messen.«
    Lynley machte eine heftige Bewegung, doch Macaskin und Barbara Havers sprangen sofort auf. Das brachte ihn zur Besinnung. »Bringen Sie ihn raus«, sagte er rauh.

    Barbara wartete, bis Macaskin Davies-Jones aus dem Zimmer geführt hatte. Sie sah ihnen nach, bis die Tür ins Schloß fiel und sie sicher sein konnte, daß sie ungestört bleiben würden. Dann warf sie St. James einen flehenden Blick zu. Er kam zu ihnen an den Tisch. Lynley hatte seine Lesebrille aufgesetzt und sah Barbaras Aufzeichnungen durch.
    »Sir.«
    Lynley hob den Kopf, und Barbara war entsetzt. Er sah erschreckend aus, völlig erschöpft, eingefallen beinahe.
    »Sehen wir uns an, was wir haben«, schlug sie vor.
    Lynley blickte über den Rand seiner Brillengläser von Barbara zu St. James. »Wir haben eine abgeschlossene Tür«, antwortete er ruhig. »Wir wissen von Francesca Gerrard, daß sie sie mit dem einzigen Schlüssel abgesperrt hat, der außer dem eigentlichen Zimmerschlüssel vorhanden war. Wir wissen, daß dieser Zimmerschlüssel auf dem Toilettentisch im Zimmer lag. Wir haben im Nebenzimmer einen Mann, der eindeutig Zugang zu Joy Sinclairs Zimmer hatte. Jetzt suchen wir das Motiv.«
    Nein, dachte Barbara. Sie gab sich Mühe, ruhig und sachlich zu sprechen. »Es war reiner Zufall, daß Helen und Joy Sinclair in Nachbarzimmern mit einer Verbindungstür wohnten. Er kann das vorher nicht gewußt haben.«
    »Nein? Ein Mann, der von sich selbst sagt, daß er sich für Architektur interessiert? In diesen großen alten Häusern gibt es immer Zimmer mit Verbindungstüren. Es dürfte für ihn nicht schwer gewesen sein zu erraten, daß es das auch in diesem Haus gab. Oder daß man Joy, nachdem sie ausdrücklich um ein Zimmer neben Helens gebeten hatte, eines dieser Verbindungszimmer geben würde. Ich denke nicht, daß sonst noch jemand Francesca Gerrard mit solchen Sonderwünschen angerufen hat.«
    Barbara weigerte sich, klein beizugeben. »So, wie die Dinge im Augenblick liegen, könnte Francesca Gerrard selbst Joy getötet haben, Sir. Sie war im Zimmer. Sie hat es zugegeben. Oder sie könnte den Schlüssel ihrem Bruder gegeben haben, um ihn die Sache erledigen zu lassen.«
    »Für Sie endet es immer bei Stinhurst, nicht wahr?«
    »Nein, darum geht es nicht.«
    »Und wenn Sie Stinhurst als Täter sehen wollen, was ist dann mit Gowan? Warum hat Stinhurst ihn getötet?«
    »Ich behaupte ja gar nicht, daß es Stinhurst war, Sir«, entgegnete Barbara, eisern bemüht, ihre Geduld und ihre Beherrschung zu bewahren und nicht dem Verlangen nachzugeben, Stinhursts Motiv so lange herauszuschreien, bis Lynley es endlich akzeptieren mußte. »Ebensogut könnte es Irene Sinclair getan haben. Oder Sydeham oder die Ellacourt, die waren ja auch beide allein. Oder Jeremy Vinney. Joy Sinclair war früher am Abend in seinem Zimmer. Das wissen wir von Elizabeth. Vielleicht wollte er was von ihr, bekam eine Abfuhr, lief wütend in ihr Zimmer und brachte sie im Affekt um.«
    »Und wie hat er die Tür abgeschlossen, als er ging?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist er aus dem Fenster gesprungen.«
    »Bei Schneesturm, Havers? Sie holen's ja noch weiter her als ich.« Lynley ließ ihren Block auf den Tisch fallen, nahm die Brille ab und rieb sich die Augen.
    »Es ist richtig, daß Davies-Jones Zugang hatte, Inspector. Das sehe ich. Ich sehe auch, daß er die Gelegenheit hatte. Aber durch Joy Sinclairs Stück hätte er einen neuen Start bekommen. Und er konnte unmöglich mit Sicherheit wissen, ob das Stück ein für allemal gestorben war, nur weil Stinhurst seine finanzielle Unterstützung zurückgezogen hatte. Es hätte sich doch sehr gut ein anderer finden lassen können, um es zu finanzieren. Mir scheint, er ist der einzige im Haus, der ein solides Motiv hatte, die Frau am Leben zu erhalten.«
    Jetzt schaltete sich St. James ein. »Nein. Wenn es um ein Comeback geht, gibt es noch eine zweite Person. Irene, Joy Sinclairs Schwester.«

    »Ich habe mich schon gefragt, wann Sie zu mir kommen würden.«
    Irene Sinclair trat von der Tür zurück. Sie ging zu ihrem Bett und setzte sich. Es war spät, und sie hatte sich schon für die Nacht zurechtgemacht. Ihre Kleidung war schlicht. Leichte Schuhe mit flachem Absatz, ein Morgenrock aus marineblauem Flanell, unter dem der hochgeschlossene Kragen eines weißen Nachthemds heraussah. Es hatte etwas merkwürdig Unversöhnliches. Sie war praktisch,

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