02 - Keiner werfe den ersten Stein
Unterton, der in ihnen schwang. Er antwortete völlig freimütig. »Ich habe ihr den Cognac gebracht, weil ich sie sehen wollte, Inspector. Es war ein bißchen albern, ich weiß, ein recht pubertärer Versuch, ein paar Minuten in ihr Zimmer zu kommen.«
»Scheint aber gut geklappt zu haben.«
Davies-Jones schwieg. Lynley merkte, daß er entschlossen war, so wenig wie möglich zu sagen. Und augenblicklich fand er sich gleichermaßen entschlossen, alles bis aufs letzte Detail aus dem Mann herauszuholen.
»Und Ihre Fingerabdrücke auf dem Schlüssel?«
»Ich sperrte ab. Beide Türen übrigens. Wir wollten ungestört sein.«
»Sie betraten das Zimmer mit einer Flasche Cognac und sperrten beide Türen ab? Da dürften Ihre Absichten wohl ziemlich klar gewesen sein.«
Davies-Jones preßte kurz die Lippen aufeinander. »So hat es sich nicht abgespielt.«
»Dann erzählen Sie mir doch bitte, wie es sich abgespielt hat.«
»Wir unterhielten uns eine Weile über die Lesung. Mit Joys Stück sollte mir die Möglichkeit gegeben werden, in London nach meiner - meinen Schwierigkeiten neu anzufangen. Ich war darum ziemlich unglücklich über den Verlauf der Dinge. Mir war ziemlich klar, daß der Grund, warum meine Cousine uns alle hierher geschleppt hatte, mit dem Stück herzlich wenig zu tun hatte. Ich war ärgerlich, daß sie mich getäuscht und ausgenützt hatte. Es ging ihr ja offenkundig nur um irgendeinen Racheakt gegen Stinhurst. Darüber haben Helen und ich gesprochen. Über diese Pleite. Was ich weiter tun würde. Als ich gehen wollte, bat Helen mich zu bleiben. Da habe ich die Türen abgesperrt.« Davies-Jones sah Lynley direkt in die Augen. Ein schwaches Lächeln spielte um seinen Mund. »Sie haben nicht erwartet, daß es sich so abspielte, nicht wahr, Inspector?«
Lynley antwortete nicht. Vielmehr zog er die Whiskyflasche zu sich heran, schraubte den Deckel herunter und schenkte sich ein. Der Alkohol rann angenehm warm seine Kehle hinunter. Absichtlich stellte er das geleerte Glas auf den Tisch zwischen sich und Davies-Jones. Davies-Jones sah weg, aber Lynley bemerkte die plötzlich verkrampften Bewegungen, die Spannung in seinem Nacken, die seine Sucht verrieten. Mit unsicheren Händen zündete sich Davies-Jones eine Zigarette an.
»Wie ich hörte, sind Sie gleich nach der Lesung verschwunden und kamen erst gegen ein Uhr morgens wieder zum Vorschein. Was haben Sie in dieser Zeit getan? Wie lange war es - neunzig Minuten, fast zwei Stunden?«
»Ich habe einen langen Spaziergang gemacht«, antwortete Davies-Jones.
Hätte er behauptet, ein Bad im Loch Achiemore genommen zu haben, wäre Lynley nicht überraschter gewesen.
»Mitten im Schneesturm, bei eisiger Kälte haben Sie einen Spaziergang gemacht?«
Davies-Jones erwiderte nur: »Spazierengehen ist für mich der beste Ersatz für die Flasche, Inspector. Und ich muß gestehen, die Flasche wäre mir gestern abend lieber gewesen. Aber ein Spaziergang erschien mir klüger.«
»Wohin sind Sie gegangen?«
»Die Straße hinauf zur Hillview Farm.«
»Sind Sie jemandem begegnet? Haben Sie mit jemandem gesprochen?«
»Nein«, antwortete er. »Es kann also niemand meine Aussage bestätigen. Das ist mir völlig klar. Dennoch - ich war spazieren.«
»Dann werden Sie verstehen, daß Sie in meinen Augen in dieser Zeit auch alles mögliche andere getan haben könnten.«
Davies-Jones nahm den Köder. »Zum Beispiel?«
»Sich die Dinge beschaffen, die Sie brauchten, um Joy Sinclair zu töten.«
Davies-Jones' Lächeln war verächtlich. »Ja, das hätte ich tun können. Ich hätte nur die Hintertreppe hinunter, durch die Spülküche und die Küche ins Speisezimmer zu gehen brauchen, und ich hätte den Dolch gehabt, ohne daß jemand etwas gemerkt hätte. Sydehams Handschuh ist ein Problem, aber Sie werden mir sicher sagen können, wie ich mir den beschafft habe, ohne daß Sydeham etwas merkte.«
»Sie scheinen sich im Haus gut auszukennen«, stellte Lynley trocken fest.
»Das ist richtig. Ich habe es mir am frühen Nachmittag ziemlich genau angesehen. Ich interessiere mich für Architektur.«
Lynley nahm sein Whiskyglas und schwenkte es sachte hin und her. »Wie lange waren Sie im Krankenhaus?« fragte er.
»Geht diese Frage nicht etwas zu weit, Inspector?«
»Sie ist für diesen Fall von Belang und liegt daher im Rahmen der Ermittlungen. Wie lange waren Sie wegen Ihres Alkoholproblems im Krankenhaus?«
»Vier Monate«, antwortete Davies-Jones mit steinerner
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