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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Elizabeth hat mitbekommen, was damals los war.« Marguerite hielt inne in der Hoffnung auf irgendein Zeichen, durch das er ihr zu erkennen geben würde, daß sie ruhig fortfahren könne. Doch Stuart zeigte keine Reaktion. Sie sprach dennoch weiter. »Du hast heute morgen mit Francesca gesprochen, nicht wahr? Hat sie dir von dem Gespräch erzählt, das sie gestern abend nach der Lesung mit Elizabeth führte?«
    »Nein.«
    »Dann werde ich es tun, Stuart. Elizabeth hat dich damals, an dem Abend, weggehen sehen. Alec und Joy haben dich ebenfalls gesehen. Sie standen oben an einem Fenster und beobachteten alles.« Marguerites Stimme schwankte. Aber sie zwang sich weiterzusprechen. »Du weißt doch, wie Kinder sind. Sie sehen etwas, sie hören etwas, und den Rest erledigt die Phantasie.
    Stuart, Francesca sagte mir, daß Elizabeth glaubt, du hättest Geoffrey getötet. Offenbar glaubt sie das schon seit dem Abend - seit dem Abend, an dem es geschah.«
    Stinhurst erwiderte nichts, und nichts veränderte sich an ihm; nicht sein Atem, nicht seine aufrechte Haltung, nicht das unbewegte Gesicht, das immer noch der Nacht draußen zugewandt war. Sie legte ihm zaghaft die Hand auf die Schulter. Er zuckte zusammen. Sie zog sie zurück.
    »Bitte, Stuart.« Sie haßte sich für das Zittern in ihrer Stimme, aber sie konnte jetzt nicht mehr zurück. »Du mußt ihr die Wahrheit sagen. Seit fünfundzwanzig Jahren hält sie dich für einen Mörder. Du mußt ihr die Wahrheit sagen.«
    Stuart sah sie nicht an. Seine Stimme war leise. »Nein.«
    Sie konnte es nicht glauben.
    »Aber du hast deinen Bruder nicht getötet. Du hast getan, was in deiner Macht stand -«
    »Warum sollte ich die einzigen guten Erinnerungen zerstören, die Elizabeth besitzt? Sie hat so wenig. Laß ihr doch wenigstens das.«
    »Auf Kosten ihrer Liebe zu dir? Nein! Das lasse ich nicht zu.«
    »Doch.« Seine Stimme war unerbittlich, voll der Autorität, die keinen Widerspruch duldete und gegen die Marguerite sich niemals aufgelehnt hatte. Hätte sie sich aufgelehnt, so hätte sie damit aus der Rolle heraustreten müssen, die sie ihr Leben lang gespielt hatte. Tochter, Ehefrau, Mutter. Und sonst nichts.
    »Geh zu Bett«, sagte ihr Mann. »Du bist müde. Du brauchst Schlaf.«
    Und Marguerite tat wie immer das, was ihr gesagt wurde.

    Es war zwei Uhr morgens, als Inspector Macaskin endlich abfuhr, nachdem er versprochen hatte, die Ergebnisse der Autopsie und der Laboruntersuchungen telefonisch durchzugeben, sobald sie vorlagen. Barbara Havers begleitete ihn hinaus und kehrte dann zu Lynley und St. James ins Wohnzimmer zurück. Die beiden Männer saßen am Tisch, vor sich ausgebreitet die Gegenstände aus Joy Sinclairs Handtasche. Und wieder lief das Tonband ab, wieder hörten sie Joy Sinclairs dunkle, ausdrucksstarke Stimme, die kurzen Anmerkungen, die Barbara längst auswendig kannte. Sie hatte das Gefühl, daß die Aufnahme inzwischen die Qualität eines wiederkehrenden Alptraums angenommen hatte, von dem Lynley wie besessen war. Nicht intuitive Gedankensprünge knüpften hier die Verbindungen, durch die das vage Bild von Verbrechen - Motiv - Täter erkennbare Form gewann. Vielmehr schienen ihr seine Folgerungen konstruiert zu sein, Ergebnis allein seiner Entschlossenheit, dort Schuld zu finden, wo man sie nur sehen konnte, wenn man den Fakten Gewalt antat. Zum erstenmal an diesem langen, zermürbenden Tag begann Barbara sich unbehaglich zu fühlen. In den langen Monaten ihrer Zusammenarbeit hatte sie allmählich erkannt, daß Lynley trotz all seines gesellschaftlichen Schliffs, seiner Kultiviertheit, seiner unverkennbaren Zugehörigkeit zur feinen englischen upper class, die sie so herzlich verachtete, der beste Inspector war, mit dem sie bisher zusammengearbeitet hatte. Doch seine Beweisführung in diesem Fall, das wußte sie intuitiv, war falsch, auf Sand gebaut. Sie setzte sich wieder an den Tisch und griff zerstreut nach dem Streichholzheftchen aus Joy Sinclairs Handtasche.
    Es trug einen seltsamen Aufdruck, drei Worte nur, Wine 's the Plough, und der Apostroph war als umgestürztes Bierglas dargestellt, aus dem Bier floß. Ganz nett, dachte Barbara, ein amüsantes Souvenir, das man einsteckt und vergißt. Doch sie wußte, es war nur eine Frage der Zeit, bis Lynley auch das Streichholzheftchen irgendwie in seine Beweisführung gegen Davies-Jones einarbeiten würde. Denn Irene Sinclair hatte ja gesagt, ihre Schwester habe nicht geraucht. Während Davies!Jones sogar

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