02 - komplett
danke.“ Er stellte sein geleertes Glas ab.
Clayton tat es ihm gleich und verkündete: „Ich lasse anspannen.“
Ohne auf Gavins Einwand zu achten, dass er selbst Dr. Bryant heimbringen könnte, hielt Clayton dem Arzt die Tür auf. „Wartet nicht mit dem Dinner auf mich. Im Red Lion werden sie mir schon etwas Brauchbares servieren, und ein Bett bekomme ich dort auch. Doch, Sarah ...“, setzte er hinzu, als seine Gastgeberin ihn unterbrechen wollte. „Vermutlich gibt es Glatteis, sodass es immer gefährlicher wird, unterwegs zu sein. Ich werde Willowdene frühestens um Mitternacht erreichen, und es wäre Unsinn, um die Zeit noch die Rückfahrt anzutreten.“
Widerstrebend nickte Sarah.
Clayton wandte sich an Ruth. „Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Mrs. Hayden.“
Ruth biss sich auf die Lippe. Offenbar wollte er ihr nicht mehr begegnen, bevor sie am Morgen Willowdene Manor verließ. „Auf Wiedersehen, Sir“, erwiderte sie leise.
9. KAPITEL
„Dann willst du also heimfahren.“
„Du weißt ganz genau, dass mir nichts anderes übrig bleibt“, erklärte Ruth, während sie die Hutbänder unter dem Kinn zu einer Schleife band. Dann umarmte sie Sarah.
„Sobald die Pfützen getrocknet sind, musst du mich besuchen kommen.“
Sie standen vor der breiten Eingangstür von Willowdene Manor, und Ruth schickte sich an, die elegant geschwungene Freitreppe hinunterzugehen. Die Sonne verlieh ihren Wangen einen goldenen Schimmer. „Sieh nur, wie schön der Tag ist! Wenn das Wetter anhält, sind Schnee und Matsch bald verschwunden.“
„Eigentlich dachte ich, dass Clayton längst hier sein müsste“, bemerkte Sarah und bemühte sich, in der Ferne etwas zu erkennen. „Er wusste doch, dass du heimfahren willst, und hätte dir wenigstens auf Wiedersehen sagen können. Jetzt hoffe ich nur, dass er uns nicht auch noch im Stich lässt und einfach abreist.“
„Gavin und du, ihr werdet euch sicher nicht langweilen.“ Röte stieg Ruth in die Wangen, als sie zu spät bemerkte, wie zweideutig ihre Worte klangen. Eigentlich hatte sie nur schnell das Thema wechseln wollen, denn bei jeder Erwähnung Sir Claytons breitete sich ein merkwürdiges Gefühl in ihrer Magengegend aus.
Doch Sarah grinste frech. „Da könntest du recht haben. Glaubst du, dass Dr. Bryant dich bald wieder aufsuchen wird? Hat er irgendeine Andeutung fallen lassen, dass er seinen Antrag wiederholen will? Er hat dich mit einem so feurigen Blick angesehen, dass er beinahe wirkte wie dieser romantische Poet, Lord Byron.“
„Ich weiß. Allerdings fand ich sein Verhalten eher unhöflich.“
„Oh, auf Dr. Bryant lasse ich nichts kommen“, erklärte Sarah. „Sein Benehmen hin oder her – er hat James so geschickt geholfen, dass ich ihm alles verzeihe.“
„Trotzdem hoffe ich, dass er mir zumindest heute noch nicht seine Aufwartung macht, denn ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll, wenn er seinen Antrag wiederholt. Einerseits lieben wir uns nicht, andererseits aber hat er gestern wieder bewiesen, dass er ein guter Mann und tüchtiger Arzt ist.“ Sie seufzte. „Außerdem braucht er eine Mutter für seinen kleinen Sohn.“
Sarah nahm Ruths Hand und drückte sie tröstend. „Die Entscheidung kann ich dir nicht abnehmen, auch wenn ich es wollte.“
Die Freundinnen umarmten sich zum Abschied.
Kurz darauf lehnte Ruth sich in den bequemen Polstern der Kutsche zurück und schloss die Augen. Doch die unwillkommenen Gedanken, die ihr ständig durch den Kopf gingen, ließen sich nicht vertreiben. Insgeheim verwünschte sie das schöne Wetter. Hätten Eis und Schnee sie nicht wenigstens noch einen Tag länger auf Willowdene Manor festhalten können? Dann hätte sie Sir Clayton noch einmal gesehen.
Sie straffte die Schultern und setzte sich aufrechter hin. Nein! Der Mann hatte eigens im Red Lion übernachtet, um ihr aus dem Weg zu gehen. Niemals würde sie sich die Blöße geben, ihm zu zeigen, wie sehr sie die Momente mit ihm genossen hatte. Er sollte nicht glauben, dass sie ihm wie ein reifer Apfel in den Schoß fallen würde; dass sie sich auf einen Flirt mit ihm einließ.
Die Hände fest im Schoß gefaltet, kämpfte Ruth gegen die Versuchung an, dem Kutscher zuzurufen, er möge umdrehen und sie nach Willowdene Manor zurückbringen.
„Wirst du heute mit uns essen?“
Nachdem Gavin eine äußerst langweilige Stunde in der Kanzlei seines Rechtsanwalts in Willowdene verbracht hatte, genoss er nun die Wärme in dem privaten Salon des Red
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