Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - komplett

02 - komplett

Titel: 02 - komplett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 2 Romane
Vom Netzwerk:
einem unterdrückten Fluch knallte Clayton sein leeres Glas auf den Schreibtisch und ging in zwei schnellen Schritten zum Kamin. Er klammerte sich mit beiden Händen am Sims fest und senkte den Kopf. Minutenlang blieb er so stehen, während die Anspannung in seinen Schultern, seinem Nacken zunahm, bis sich seine Muskeln anfühlten wie Stein. Sein Atem ging unregelmäßig und keuchend, als wäre er gerannt.
    Er biss die Zähne aufeinander. Während er sich in London aufhielt, erhielt Ruth womöglich bereits den zweiten Heiratsantrag des Arztes. Und wenn sie ihn annahm?
    Niemals würde sie ihr einmal gegebenes Wort brechen, so viel war sicher, gleichgültig, was ihr im Gegenzug geboten wurde. Sie war eine durch und durch ehrliche und aufrichtige Frau. Falls er nach Willowdene zurückkehrte, um ihr zu sagen, was er für sie empfand, käme er womöglich bereits zu spät. Welche Ironie!
    „War er diesmal da?“ Gavin hatte den Blauen Salon in seinem Haus in Lansdowne Crescent kaum betreten, als ihm bereits die Frage entgegenflog. Hastig sprang Sarah auf und lief auf ihn zu. Sie und Ruth hatten gerade überlegt, eine Partie Karten zu spielen, um sich bis zu Gavins Rückkehr abzulenken.
    „Nein, er war nicht zu Hause. Das hat zumindest Hughes behauptet.“ Ungehalten runzelte Gavin die Stirn. „Wenn ich ihn endlich erwische, muss er sich eine verflixt gute Erklärung einfallen lassen. Inzwischen habe ich sogar in sämtlichen Klubs Nachrichten für ihn hinterlassen, dass er sich bei mir melden soll. Im St. James’s Club sagte man mir, dass ich ihn nur um wenige Minuten verpasst hätte. Keith Storey hat mit ihm gesprochen und konnte mir immerhin mitteilen, dass Clayton immer noch nach Pomfrey sucht.“
    „Glaubst du, er geht dir absichtlich aus dem Weg? Aber warum?“ Die Stirn gerunzelt, wandte Sarah sich zu ihrer Freundin um.

    Ruth hatte das Gespräch der Eheleute schweigend mit angehört. Nun stand sie ebenfalls auf. „Hat das Duell womöglich schon stattgefunden? Könnte es sein, dass Sir Clayton verletzt ist?“ Der Ausdruck auf ihrem Gesicht zeigte deutlich, dass sie das Schlimmste befürchtete. „Falls er zu Hause liegt, hat sein Butler vielleicht Anweisungen, ihn zu verleugnen. Ein Duell ist schließlich eine ernste Sache ...“
    „Sei beruhigt – das Zusammentreffen steht noch bevor“, unterbrach Gavin sie sanft, um ihre Angst zu zerstreuen. Insgeheim bereitete es ihm Befriedigung, zu sehen, dass Ruth genauso fasziniert von Clayton war wie dieser von ihr. Offenbar waren die beiden bereits jetzt miteinander verbunden, auch wenn keiner von ihnen es zugeben mochte.
    „Vielleicht sucht Clayton ja deshalb immer noch nach Pomfrey, weil der endlich zur Besinnung gekommen ist und sich aus Scham lieber versteckt.“ Sarah legte all ihre Hoffnung in diese Worte.
    „Das kann sein“, räumte Gavin ein. „Aber inzwischen ist die Angelegenheit in der Öffentlichkeit bekannt geworden. Weder Clayton noch Pomfrey können jetzt einfach einen Rückzieher machen, ohne ihren guten Ruf zu verlieren.“
    „Ich wünschte wirklich, Pomfrey würde die Sache fallen lassen.“ Ruth hatte gesprochen, ohne darüber nachzudenken, und errötete sogleich tief.
    „Das Gleiche denke ich auch“, sprang Sarah der Freundin augenblicklich bei.
    Während die Eheleute sich weiter über die Gründe für Claytons Verhalten unterhielten, kehrte Ruth zu ihrem Sessel zurück. Sie bekam das Gespräch nur noch am Rande mit, denn sie hatte alles gehört, was sie wissen musste: Clayton blieb verschwunden. Trotz Gavins Überzeugung, dass das Duell noch nicht stattgefunden hatte, schnürte Angst ihr die Brust zu. Sie machte sich nicht länger vor, dass ihre plötzliche Entscheidung, doch mit nach London zu fahren, nichts mit Clayton zu tun hatte.
    Was sie für diesen Mann empfand, ging tiefer, als sie es sich bisher eingestanden hatte. Sie musste einfach erfahren, ob er in Sicherheit war. Allein bei der Vorstellung, er könnte tödlich verwundet oder auch nur leicht verletzt irgendwo liegen, überliefen sie Wellen der Angst. Die Erinnerung an ihre letzte Begegnung, an seine schmerzhafte Zurückweisung, verblasste dagegen.
    Seit jenem schicksalhaften Nachmittag hatte sie genügend Zeit zum Nachdenken gehabt. Der Zwischenfall erschien ihr in einem anderen Licht, seit sie ihn nicht mehr durch einen Schleier quälender Demütigung wahrnahm.
    Hättest du wirklich gewollt, dass ich weitermache? hatte er gefragt, als er sie von sich geschoben hatte. Ja!

Weitere Kostenlose Bücher