02 - komplett
zu Clayton auf. Am liebsten hätte sie sich für immer in seinen grauen Augen verloren. „Nein, er hat mich nicht verletzt, wirklich nicht. Du musst ihm nachgehen und ihm sagen, dass du das mit dem Duell nicht ernst gemeint hast.“
„Das kann ich nicht tun, Ruth“, sagte Clayton leise.
Inständig bat sie: „Doch, das kannst du. Ich kann nicht zulassen, dass du wegen einer solchen ... Nichtigkeit kämpfst. Dr. Bryant wusste vor Eifersucht nicht, was er tat. Er hatte gehört, dass wir angeblich heiraten.“ In ihren Augen standen Tränen. „Und dabei stimmt das noch nicht einmal. Soll denn ein Mann wegen einer Lüge sein Leben verlieren?“
„Ich werde ihn nicht töten“, versprach Clayton. „Außerdem kann es ja durchaus sein, dass er mich verwundet und nicht umgekehrt.“
Außer sich vor Angst schüttelte Ruth den Kopf. „Du weißt genau, dass er das nicht tun wird ... nicht kann. Er ist im Gebrauch von Waffen nicht so geübt wie du.
Außerdem kann sich auch eine bloße Verletzung als tödlich erweisen, wenn sie sich entzündet. Bitte, Clayton ...“ Sie schlang ihm den Arm um die Taille, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. „Bitte geh ihm nach und sag ihm, dass du ihn nicht zum Duell fordern willst ...“
Sofort hob er die Hand und vergrub sie in ihrem Haar, doch nach einem Moment hielt er inne.
„Machst du dir Sorgen um ihn, weil dir an ihm etwas liegt?“, fragte er ruhig und schob Ruth etwas von sich ab, um ihr ins Gesicht sehen zu können. „Wobei habe ich gerade gestört? Hattet ihr einen Streit unter Liebenden? War etwa verabredet, dass er dich hier in London besuchen kommt?“
Erstaunt begegnete Ruth seinem Blick. In den Augen standen ihr Tränen, die sie wegzublinzeln versuchte. „Keineswegs“, brachte sie schließlich hervor. „Nichts hätte mich mehr überraschen können, als ihn hier zu sehen. Er war wütend, weil deine Mätresse und Mrs. Beauvoir ihn aufgesucht haben. Sicher kannst du dir vorstellen, was sie damit beabsichtigt haben.“
Zwei harte Linien erschienen um seinen Mund, als Clayton die Lippen zusammenpresste. Abrupt wandte er sich ab und ging zum Fenster, um sich mit den Fäusten am Rahmen abzustützen. „Ich kann mir noch etwas anderes vorstellen.
Bryant ist nach London gekommen, um dich aufzusuchen und seinen Antrag zu erneuern.“ Er warf Ruth von der Seite einen durchdringenden Blick zu. „Wenn gestern Abend nichts geschehen wäre – wie hättest du dich entschieden?“
„Glaubst du, ich würde einen Mann heiraten, der zu so ... so gewalttätigem Verhalten in der Lage ist?“ Verletzt trat Ruth einen Schritt auf ihn zu.
„Wenn gestern Abend nichts geschehen wäre, dann hätte Bryant heute keinen Besuch von zwei intriganten Frauen bekommen. Nichts hätte ihn veranlasst, sein wahres Gesicht zu zeigen, und du würdest ihn immer noch für einen ehrenwerten Mann und braven Bürger von Willowdene halten. Was also hättest du ihm geantwortet, Ruth?“, beharrte Clayton.
Ruth machte eine hilflose Handbewegung. „Ich weiß es nicht“, bekannte sie wahrheitsgetreu. „Sein Benehmen heute hat mich erschüttert. Vor ein paar Jahren gab es eine Zeit, da hielt ich ihn für einen guten Freund.“
„Einen Freund?“
„Er war da, als mein Vater starb. Damals hat er mir Trost geboten, und ich habe mich trösten lassen“, erklärte Ruth leise. „Als ich ihm erlaubt habe, mich in den Arm zu nehmen, scheint er meine Gefühle für ihn falsch gedeutet zu haben.“
„Aha ...“, murmelte Clayton. „Und damals hieltest du ihn für so ehrenhaft, dass du ihm nicht zugetraut hättest, in einer Umarmung die Verheißung auf ganz andere Freuden zu sehen.“
Abrupt hob Ruth den Kopf. Langsam machten seine Sticheleien und Andeutungen sie ärgerlich. „Vielleicht solltest du nicht jeden Gentleman nach deinen eigenen Maßstäben beurteilen.“
„Vielleicht nicht“, gab Clayton zu. „Aber als dein Vater starb ... war Dr. Bryant damals nicht verheiratet? Wenn ich mich recht erinnere, hat er einen kleinen Sohn, der noch in den Windeln liegt.“
Ruth nickte, ohne seinem bohrenden Blick auszuweichen. Sie wusste, was als Nächstes kommen würde.
„Er wollte dich zur Mätresse nehmen.“
„Ja“, sagte sie fast unhörbar.
„Und, hast du dich darauf eingelassen?“
„Nein. Ich habe ihm geantwortet, dass er meine Gefühle missdeutet hat. Außerdem muss ich einen erfahrenen Lebemann wie dich vermutlich nicht erst darauf hinweisen, dass ich jede Chance auf einen
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