02 - komplett
Duke of Bridgewater hatte anlegen lassen. Erwähnenswert war sicher auch das „Bird in Hand“, Herberge und Poststation in einem und Anlaufpunkt für den Kutschenverkehr, die Post und die Gigs und Karriolen der Gentlemen, die von hier nach London und Oxford reisten. Winterbourne Hall, ein prächtiges Herrenhaus, das seinesgleichen suchte, war der Sitz der Nugents, die zusammen mit einem weiteren halben Dutzend vornehmer Familien zum hiesigen Landadel gehörten.
Außer über eine graue Steinkirche und den uralten Friedhof verfügte man hier darüber hinaus sogar über ein Geschäft, ein ausgezeichnetes Geschäft, in dem man alle Arten von Kurzwaren, kostbare Stoffe, die Zeitungen aus London und Oxford mit nur einem Tag Verspätung, Schnupftabak, Tee und Parfüms erstehen konnte.
Das Leben der Einwohner spielte sich vor allem in der Nähe der Kirche ab sowie auch nahe der Poststation und der Gemeindewiese mit ihrem Ententeich, der ehrwürdigen alten Eiche und den schönen Herren- und Fachwerkhäusern.
An einem nasskalten Donnerstagmorgen überquerten drei achtbare Hausfrauen die Wiese, in ein fesselndes Gespräch vertieft. Wie es schien, gab es keinen Zweifel mehr darüber, dass der Gentleman, der das „Old Manor“ gemietet hatte – den einzigen architektonischen Schandfleck der Gegend –, doch tatsächlich ein Earl war.
„Oder vielleicht gar ein Duke“, vermutete Mrs. Thorne hoffnungsvoll und hob leicht ihren Rock an, während sie behutsam einer Pfütze auswich. „Wie dem auch sei, in jedem Fall ist es eine schöne Sache für Winterbourne. Er wird all seine vornehmen Freunde hierher einladen, denken Sie an meine Worte, meine Lieben. Und er wird Personal beschäftigen sowie Eier, Milch und Schinken brauchen.“
„Wenn er seine vornehmen Freunde bei sich haben will, was tut er dann mitten im Dezember in Winterbourne?“, entgegnete die Witwe Clare, ihre Busenfeindin, spitz.
„Alle feinen Leute sind entweder auf Besuch in der Stadt oder auf ihren großen Landsitzen. Wieso mietet ein Earl ausgerechnet diesen alten Schuppen von einem Haus? Weil er vor seinen Gläubigern auf der Flucht ist, deswegen. Wenn dieser Herr, ob Earl oder nicht, auch nur ein Ei von meinen Hennen haben will, wird er in klingender Münze zahlen müssen, das sage ich Ihnen, meine Damen!“
„Oh, und keiner hat ihn bisher zu Gesicht bekommen“, warf Mrs. Johnson aufgeregt ein. Bei dem Gedanken, dass ein echter Earl sich im Dorf aufhielt – selbst wenn es nur einer war, der sich offensichtlich in einer Notlage befand –, quollen ihr fast die Augen aus dem Kopf. „Seinen Butler habe ich allerdings schon gesehen. Zunächst glaubte ich, es sei Seine Lordschaft selbst, so hochmütig wie er war. Er sprach mit dem armen Bill Willett. ‚Ich möchte Ihnen unbedingt deutlich machen, guter Mann‘, sagte er ganz kühl, ‚dass nur die frischeste Milch und der frischeste Rahm für den Tisch seiner Lordschaft infrage kommen. Dieser Rahm hier mag gerade für die Katze gut genug sein.‘ Und haben Sie die Pferde gesehen?“
Die anderen Damen nickten. Sie hatten die edlen Rösser vor drei Tagen bewundernd betrachtet, doch zu jedermanns Kummer schien der Earl selbst in genau jenem Zeitpunkt erschienen zu sein, als kein einziger neugieriger Blick auf die Gemeindewiese gerichtet war.
„Früher oder später wird er sich zeigen müssen“, tröstete sich Mrs. Thorne. „Selbst wenn die Konstabler hinter ihm her sein sollten.“
Erstaunt brach sie ab, da im nächsten Moment ein Gig vom Hauptweg abbog und in halsbrecherischem Tempo auf die andere Seite der Gemeindewiese gelenkt wurde.
Es war ein bescheidenes und dennoch recht verwegenes Gefährt, gezogen von einem hübschen, eleganten Braunen.
Die drei Damen sahen ihm atemlos nach, während das Gig auf das reizende kleine Haus zuhielt, das sich genau gegenüber der roten Ziegelsteinfassade des „Old Manor“ befand.
„Haben Sie das gesehen?“, fragte Mrs. Clare unnötigerweise. „Saß nicht eine Frau auf dem Kutschbock?“
„Mit einem Reitknecht an ihrer Seite“, fügte Mrs. Thorne hinzu. „Und sie ist zum Moon House gefahren.“
„Also stimmen die Gerüchte“, folgerte Mrs. Johnson und reckte völlig schamlos den Hals. Doch das Gefährt war hinter dem Portal verschwunden, und alles sah wieder genauso verlassen und verwahrlost aus wie immer. „Sir Edward hat Moon House doch verkauft, bevor er starb. Aber wer ist die neue Besitzerin?“
Auf dem schlammigen Hof hinter dem Haus
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