02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
aus dem kleinen Fenster des Flugzeugs. Tausende winziger Lichter leuchteten und flackerten in der Dunkelheit unter ihr – mit den Sternen unten und der kalten Unendlichkeit oben fast wie ein umgedrehter Himmel. Sie schob den Ärmel hoch, um einen Blick auf ihre Armbanduhr zu werfen. Zwölf Minuten nach Mitternacht, also einundzwanzig Uhr zwölf in Portland, Oregon. Sie würde bei ihrem Flug über das Land in der Zeit zurückreisen, weg vom Sonnenaufgang und auf die Nacht zu.
Sie entspannte sich in ihrem Sitz und schloss die Augen. Was sie Rutgers über die fehlenden Sicherheitsaufnahmen gesagt hatte, entsprach der Wahrheit, und es ärgerte sie maßlos, dass sie diese noch nicht gefunden hatte. Aber zumindest ahnte sie, wo sie stecken mochten.
Nach Bronlees Tod war sie nach Gaithersburg gereist, um der Witwe Nora ihr Beileid auszudrücken. Das tat sie immer, wenn es irgendwie möglich war, um nicht zu vergessen, dass sie ein Leben ausgelöscht und nicht nur einen Auftrag ausgeführt hatte.
Während sie mit der Trauernden im Wohnzimmer saß – Jetzt werde ich nie erfahren, warum er uns so überstürzt verlassen hat. Kristi war sein Ein und Alles –, hatte sie erfahren, dass Bronlee und seine Frau Dr. Wells geradezu vergötterten.
Das Flugzeug schwankte einige Sekunden lang heftig, und Caterina riss die Augen auf. Ihr Herz begann zu rasen. Luftwirbel. Sie hasste Fliegen, da sie es hasste, Fremden ihr Leben anzuvertrauen. Hastig nahm sie den Plastikbecher, der vor ihr auf dem heruntergeklappten Tischchen stand, und trank ihren Wodka aus. Der Absolut Vanille brannte wohlig warm in ihrer Kehle. Sie spürte, wie sich ihre Muskeln entspannten.
Anscheinend hatte Wells eine schwierige, umstrittene genetische Behandlung an Jon Bronlees einzigem Kind vorgenommen, während sich dieses noch in Noras Bauch befunden hatte. Das X-Syndrom. Ohne Wells’ Hilfe wäre Kristi Bronlee ihr Leben lang behindert, eventuell auch autistisch gewesen – und das hätte erst den Anfang ihrer Probleme dargestellt. Um für Kristi angemessen sorgen zu können – sowohl medizinisch als auch was eine Schule betraf –, hätten sich die Bronlees in große Schulden stürzen müssen.
Robert Wells hatte dieses Schicksal abgewandt, indem er ihre Tochter genetisch verändert hatte. Wegen seiner Arbeit – für die er nicht einmal Geld verlangt hatte – kam Kristi Bronlee gesund und ohne jegliche Behinderungen auf die Welt. Eine glückliche, vielversprechende Zukunft lag vor ihr.
Caterina reichte dem Flugbegleiter ihren Plastikbecher und schüttelte den Kopf, als dieser fragte, ob sie noch einen Wodka wolle. Er ging weiter, und sie lauschte seiner fröhlichen Stimme, als er die anderen Fluggäste bediente. Dann schloss sie wieder die Augen.
Halb dösend drifteten ihre Gedanken zu ihrer Mutter und den Schlafliedern zurück, die diese ihr in ihrer Kindheit immer am Bett vorgesungen hatte – italienische Schlaflieder aus alten Zeiten, mit einer Stimme so weich wie Samt.
Fi la nana, e mi bel fiol
Fi la nana, e mi bel fiol
Fa si la nana
Fa si la nana
Dormi ben, e mi bel fiol
Dormi ben, e mi bel fiol …
Caterina stellte sich Renata Alessa Cortini vor – zierlich, klein und anmutig, mit schwarzen Augen und blasser Haut, das dunkelbraune, schwere Haar hochgesteckt und in Locken auf ihre Schultern fallend.
Renata hatte Caterina von den Blutgeborenen erzählt und zugegeben, dass selbst sie in den vielen Jahrhunderten ihres Lebens nie einen getroffen hatte. Allerdings hatte sie von den Ältesten atemberaubende Geschichten über sie gehört. Man traf Blutgeborene immer seltener, und diese Tatsache hatte Renata tief verstört.
Sie hatte befürchtet, die Blutlinie würde allmählich immer seltener, die Reinheit verfälscht und beschmutzt.
Nachdem Caterina die CD in Bronlees Laptop angesehen hatte, war es ihr möglich gewesen, die Angst ihrer Mutter zu besänftigen: Es gibt die Blutlinie noch. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.
Ein Blutgeborener war zur Welt gekommen. Seine Mutter hatte man nach der Geburt getötet, der Vater war unbekannt.
Wie hatte Johanna Moore – als Vampirin, als Frau, als lebendiges Wesen – ihrer eigenen Fille de sang und deren Leibesfrucht nur so etwas Schreckliches antun können?
Beim Gedanken daran begann ein wildes Feuer in Caterinas Adern zu wüten. Sie holte tief Atem und zählte bis Tausend. Nach einer Weile wurde das Feuer schwächer, so dass sie es unter Kontrolle bekommen konnte.
Sie musste Dr. Moore
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