02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
finden oder zumindest ergründen, was ihr zugestoßen war. Vermutlich enthielten die noch immer vermissten Aufnahmen aus der medizinischen Abteilung, für die Jon Bronlee und so viele hatten sterben müssen, die Antwort.
Bei Caterinas Arbeit war es von größter Wichtigkeit, dass sie die gestellte Aufgabe auf jeden Fall zu Ende brachte. Keine Fragen. Kein Zögern. Das war Ehrensache. Sie war offenen Auges geworden, was sie war. Hieß das, dass sie eine Psychopathin war? Ihrer Meinung nach nicht. Sie tötete nur, wenn man es von ihr verlangte und nicht, um persönlich etwas daraus zu gewinnen, aus Machtgier oder einer perversen Lust heraus. Sie war eine Samurai in einer ehrlosen Welt.
Caterina hatte immer geglaubt, dass die Arbeit im Bush-Center, einschließlich die Projekte Moores und Wells’, der Gesellschaft etwas Gutes und Nützliches brachte – und zwar sowohl den Menschen als auch den Vampiren. Sie hatte gewusst, dass es bei ihrer Forschungsarbeit auch um das Bewusstsein und den Geist gegangen war, hatte sich aber nie überlegt, wie diese Studien entstanden oder auf wessen Kosten sie gingen.
Ihr Job hatte es nicht verlangt.
Ihr Herz aber hatte sich insgeheim gewundert und gefragt – ein Nachhaken, das sie unterdrückt hatte.
Jetzt wusste sie es. Ein blutgeborenes Kind namens Dante Baptiste hatte Moores Studien mit seinem atemberaubenden Gesicht zu etwas Greifbarem werden lassen.
Psychopathen erschaffen, um sie zu studieren und – unausgesprochen und ungeschrieben – zu kontrollieren.
Man hatte Dante in die furchtbarsten Pflegefamilien gesteckt und ständig herumgereicht, hatte ihm alles, was ihm jemals etwas bedeutet hatte, jeden, den er jemals geliebt hatte, systematisch entrissen.
Dante war auf viele verschiedene Weisen psychisch und mental gefoltert worden. Er stellte ein Experiment in der Psychopathologie dar, und sein Gedächtnis war fragmentiert und tief in ihm begraben worden.
Ein echter blutgeborener Prinz.
Caterina musste an zwei Bilder denken, die sie von Dante auf der CD gesehen hatte: Dante als dunkelhaariger Teenager,
androgyn und bezaubernd, ein verführerisches, schiefes Lächeln auf den Lippen. Ihr gefielen die Sprödigkeit des Jungen und sein dunkler, direkter Blick.
Die andere Aufnahme war jüngeren Datums: Dante als Erwachsener mit einer verblüffenden Schönheit und einem Kenneich-vielleicht-tue-ich-es-wieder-vielleicht-auch-nicht-Blick, in einer Lederjacke und zerrissenen Jeans, einen mitgenommenen Gitarrenkoffer in der Hand, das bleiche Gesicht selbstsicher.
Das Flugzeug schaukelte und fiel plötzlich in ein Luftloch. Caterinas Magen sackte auch nach unten. Als sich das Flugzeug wieder fing und ruhiger weiterflog, beruhigte die gelassene Stimme des Captains die Passagiere. Caterina hielt die Augen geschlossen und krallte sich noch fester an den Armlehnen ihres Sitzes fest.
In Gedanken kehrte sie zu ihrer letzten, vor kurzem stattgefundenen Unterhaltung mit ihrer Mutter zurück. Sie erinnerte sich, wie ihrer Mutter fast der Atem gestockt hatte, als sie davon erfuhr.
»Ein Blutgeborener? Bist du sicher?«
»Sì. Aber man hat ihm stark zugesetzt. Ich weiß nicht, wie stark …«
»Das macht nichts, cara mia . Er ist ein Kind.« Eisige Wut war in Renatas nächsten Worten zu hören gewesen: »Diese Sterblichen verbergen also ein Kind des Blutes, verbergen und misshandeln es …«
»Mama, man hat mir aufgetragen, die Sterbliche zu ermorden, die er gerettet hat, sowie alle, die mit dem Projekt zu tun hatten – einschließlich des Mannes, dessen Idee es anfänglich war.«
»Den tötest du langsam. Ganz langsam. Was ist mit dem Blutgeborenen? Was soll mit ihm geschehen?«
»Für den Augenblick sollen wir ihn in Ruhe lassen. Er soll erst einmal frei bleiben.«
»Buono. Finde ihn, gewinne sein Vertrauen und bring ihn zu uns.«
»Sì. Aus diesem Grunde brauche ich auch deinen Rat. Wenn ich feststellen muss, dass er derart zerstört wurde, dass es keine Hoffnung mehr für ihn gibt, dass er ein echtes Monster geworden ist – wie töte ich dann einen Blutgeborenen? «
»Wenn er zu großen Schaden genommen hat, dann bringe ihn dennoch zu uns, damit wir sein Leben mit Liebe und Respekt beenden können.« Die Wut war aus ihrer Stimme verschwunden. Stattdessen klang nun Kummer darin. »Er gehört zu uns. Nicht in die Hände Sterblicher, nicht einmal in die deinen, mein liebes Kind, Freude meines Herzens.«
Ein weiterer heftiger Luftwirbel erschütterte das Flugzeug. Caterina
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