02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
»Dann bis morgen.«
Dante zog die Kapuze über den Kopf und stellte sicher, dass sein Gesicht im Schatten lag. Dann trat er einige Schritte zurück, ohne Heather aus den Augen zu lassen. Sein leidenschaftlicher Blick schien im Dunkeln zu funkeln. Dann setzte er die Sonnenbrille auf, drehte sich um und rannte übernatürlich schnell los.
Heather schloss das Fenster wieder, lehnte die Stirn gegen die Scheibe und schloss die Augen. Das Glas fühlte sich angenehm kühl an. Ihre Finger griffen nach der Fensterbank. Die Wochen, die sie getrennt verbracht hatten, schienen nichts an ihren Gefühlen für ihn geändert zu haben. Doch noch immer war sie nicht sicher, was diese Empfindungen genau waren oder auch, welche Ängste sie quälten. Ehe sie außerdem den Gefühlen überhaupt nachgehen konnte, mussten sie erst einmal versuchen, den Untergang von Bad Seed und die Folgen zu überleben.
Heather zog den Vorhang wieder zu, drehte sich um und ging zur Couch hinüber, wo sie ihre Tasche hingeworfen hatte, als sie hereingekommen war – geblendet von Annies dramatischem Ohnmachtsanfall und Dantes atemberaubender Gegenwart. Sie holte die Achtunddreißiger aus der Handtasche und schob sich die Pistole hinten in den
Jeansbund. Der kalte Metalllauf schmiegte sich an ihren Rücken.
Leises Weinen – verloren und wund – ließ sie aufblicken. Sie machte sich auf den Weg ins Gästezimmer zu ihrer schluchzenden Schwester. Dantes gemurmelte Worte kamen ihr in den Sinn: Je te manque.
Ich dich auch, dachte sie.
15
NEUE GÖTTER
Auf der I-205 zwischen Damascus und Portland · 22. März
Alex Lyons lenkte seinen Dodge Ram auf der I-205 nordwärts nach Portland, wo er mehr Materialien für Athenas Experimente abholen wollte. Sie schlief, aber er wusste, dass sie trotz der Medikamente bald aufwachen würde. Ihr ruheloser Geist würde sie bald wieder aufspringen lassen, damit sie ihren Gedanken nachjagen konnte.
Infernos Musik dröhnte aus den Lautsprechern und füllte das Wageninnere mit ihren wütend-scharfen Klängen. Dantes Stimme drang heiser und leidenschaftlich in Alex’ Bewusstsein.
I’m waiting for you
I’ve watched
And watched
I know your every secret …
Wohl kaum, dachte Alex. Aber ich kenne deine Geheimnisse . Ein durchdringend schriller Klang begleitete die Melodie, und es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass sein Mobiltelefon klingelte. Hastig stellte er die Musik leiser, lenkte den Ram auf den Seitenstreifen und blieb stehen. Er schaltete das Warnlicht an und zog das Mobiltelefon aus seinem Kapuzenshirt. Auf dem Display stand Nummer unterdrückt .
Er drückte auf das grüne Hörersymbol und sagte: »Lyons.«
»Hat Ihr Treffen mit Heather Wallace etwas Interessantes ergeben?« Die Stimme seines Kontakts aus der Schattenabteilung klang tief, sonor und leicht nasal. New England, vielleicht Boston, dachte Alex.
»Nein, leider nicht«, antwortete er. »Sie hat nichts rausgelassen. Ich bin sicher, dass sie klug genug ist, um zu wissen, dass man sie beobachtet und ihr Infos entlocken will.«
»Über Prejean hat sie nichts gesagt? Auch nicht über Bad Seed?«
»Nein.«
»Auch nichts über Moore oder die Ereignissen im Center, nehme ich an.«
»Richtig.«
Sein Kontakt seufzte. »Na ja, wahrscheinlich hätte es sowieso keinen großen Unterschied gemacht, nehme ich an.«
»Wie meinen Sie das?« Alex horchte auf. Er wollte keine Nuance der Antwort verpassen.
»Sie wird Ihrem Vater in … nun … in die Pension folgen.«
»Ist das nötig?«, fragte Alex.
»Ja.«
Alex stellte sich Heathers attraktives herzförmiges Gesicht und ihre tiefblauen Augen vor. Er erinnerte sich, worum sie ihn gebeten hatte: Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie meinen Vater im Dunklen tappen lassen können. Er erinnerte sich auch an sein Versprechen. »Eine interessante Sache habe ich indirekt übrigens doch über Wallace erfahren«, meinte er nach einem Moment des Nachdenkens.
»Nämlich?«
»Es waren weder Glück noch schnelle medizinische Versorgung, die ihr das Leben gerettet haben, wie sie behauptet. Prejean hat sie geheilt, und zwar ohne dass er ihr Blut gegeben hätte.«
»Das ist interessant. Ich finde es außerdem auffallend, dass Sie mit dieser Information erst herausrücken, nachdem ich Wallaces bevorstehende Pensionierung erwähnt habe.«
Auf Alex’ Stirn begannen sich Schweißperlen zu bilden. »Tut mir leid, das ist mir eben erst wieder eingefallen.«
»Gibt es noch etwas, was ich wissen sollte? Irgendwas,
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