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02 Nightfall - Rueckkehr des Engels

02 Nightfall - Rueckkehr des Engels

Titel: 02 Nightfall - Rueckkehr des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Phoenix
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sein Gesicht, während die Dämonen in der ewigen Nacht des Abgrunds verschwanden.
    Vielleicht habe ich einen Augenblick Ruhe. Kann einen Atemzug lang schlafen.
    Finger berührten sein Antlitz. Es war eine barmherzige, vertraute Geste. »Das habe ich nie gewollt«, wisperte Lilith. Ihr warmer Bernsteinduft vertrieb den trocken-fauligen Gestank der Chalkydris. »Du hättest dir diese Folter erspart, wenn du Gabriel von dem Creawdwr erzählt hättest. Er weiß noch nicht, dass einer in der Welt der Sterblichen wandelt.«
    Lucien öffnete die Augen. Lilith schwebte vor ihm. Ihre schwarzen Flügel peitschten die heiße Luft. Ein roter Rock bedeckte ihre Beine, und ein silberner Reif schmückte ihren schlanken Hals, während ihre Brüste nackt und ihre Brustspitzen gerötet waren. Hinter ihr fiel von oben Helligkeit in die Grube und erleuchtete die tanzenden Staubkörner sowie die hochschießende Glut des orangefarbenen Feuers, das die Felsen zum Glühen brachte.
    »Du hast es ihm nicht erzählt?«, fragte er mit heiserer Stimme.
    Lilith schüttelte den Kopf. Lange Strähnen ihres schwarz glänzenden Haars fielen ihr ins Gesicht. »Natürlich nicht. Wenn Gabriel davon erfährt …« Sie beendete den Satz nicht, sondern sah mit besorgter Miene ins Dunkel unter ihr.
    Lucien glaubte zu wissen, was sie dachte. »Wenn Gabriel davon erführe, würde er den Schöpfer seinem Willen unterordnen. Er würde ihn wie einen Bären im Zirkus tanzen lassen, nicht?«

    Lilith sah ihn an. »Ja.« In ihrer Miene spiegelte sich Bedauern. »Gabriel sehnt sich nach den Tagen, als er Jahwes Stimme in der Welt der Sterblichen war und die Menschheit bei seinem Erscheinen zu zittern begann. Er sehnt sich nach den Tagen, als ihn die Sterblichen verehrten.«
    »Er träumt von Macht – wie immer«, sagte Lucien. »Es würde nicht reichen, dass der Creawdwr Gehenna rettet und den Riss zwischen den Welten wieder schließt.«
    »Nein«, antwortete Lilith voller Trauer. »Solange Gabriel herrscht, würde das nicht reichen.«
    »Warum erzählst du mir das? Was willst du von mir?«
    »Den Creawdwr .«
    Lucien lachte. Er lachte, bis ihm Tränen in die Augen schossen. Liliths anmutiges Gesicht wirkte indigniert. »Hältst du so wenig von mir?«, fragte er, nachdem die bittere Belustigung nachgelassen hatte. »Eine Woche Folter durch die Klauen der Chalkydris , und schon glaubst du, dass ich dir den Creawdwr überlasse?«
    »Hältst du so wenig von mir? Ich will den Schöpfer vor Gabriel schützen.«
    »Du willst ihn für dich.«
    »Na und? Ich schätze, du glaubst, du beschützt ihn, aber was, wenn du nie mehr in die Welt der Sterblichen zurückkehrst? « Liliths scharfe Augen musterten ihn eingehend. »Er ist ungebunden. Ungeübt. Er wird den Wahnvorstellungen anheimfallen und die Welt der Sterblichen und Gehenna mit in den Abgrund reißen. Irgendwann wird Gabriel seinen Anhrefncathl hören und ihn finden. Was dann, Samael … Lucien? Was dann?«
    Eine berechtigte Frage. Es ärgerte ihn, dass alles, was Lilith gesagt hatte, stimmte. Er hatte gehofft, Dante geheim halten zu können, doch es war ihm nicht gelungen. Indem er seinem Sohn die Wahrheit verschwiegen hatte, hatte er nicht nur die Wut und Verachtung seines Fleisch und Bluts auf sich gezogen,
sondern auch sein Vertrauen verloren. Jetzt weigerte sich Dante, von Lucien etwas anzunehmen – nicht einmal sein Wissen.
    Ungebunden. Ungeübt. Wahnvorstellungen anheimfallend.
    Konnte er Lilith trauen? Doch ein noch düsterer Gedanke trieb ihn um: Habe ich eine Wahl? Wenn er sich zwischen Gabriel und Lilith entscheiden müsste, würde er immer Lilith wählen. Gabriel hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um Jahwes Geisteskrankheit noch zu fördern. Er hatte ihm die Worte im Mund umgedreht und sie dann als hässliche Wahrheit unter den Menschen verbreitet.
    Lucien konnte Dante nicht schützen, solange er im Abgrund von Sheol hing und seine Flügel gefesselt waren, und als sei diese Tatsache noch nicht genug, vernahm er unerwartet ein Lied in seinem Herzen, wild, hell und rein, das ihn bis ins Mark erschütterte. Dantes Chaoslied. Es verklang genauso schnell, wie es erklungen war, und einen Augenblick lang strich Schmerz gegen Luciens Schilde.
    Lilith neigte den Kopf zur Seite und sah ihn fragend an. »Stimmt etwas nicht?«
    Lucien atmete beruhigt auf. »Du meinst abgesehen von der Tatsache, dass ich hier gefesselt an Haken hänge?« Sie hatte den Gesang nicht gehört. Vielleicht war nur er dazu in der

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