02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
Backofen auf Augenhöhe, Herd. Es herrschte fast völlige Stille; nur der Kühlschrank surrte leise vor sich hin. Es roch nach Chili, Paprika und Gurken.
Sie schlich über den gefliesten Boden zur Tür. Dort befand sich ein Gang in beide Richtungen. Rechts drang Licht unter einer geschlossenen Tür hindurch. Links fiel Licht aus einem Zimmer.
Caterina hielt inne und umfasste ihre Glock fester. Der Kühlschrank schaltete sich ab, und die unerwartete Stille erschreckte sie wie ein plötzlicher elektrischer Schlag.
Sie berührte den Knopf in ihrem Ohr.
»Hier«, sagte Beck.
»Aufpassen«, wisperte sie.
Sie bezweifelte keine Sekunde, dass Athena Wells gewusst hatte, dass sie und Beck das Haus beobachteten. Es bestand auch kein Zweifel daran, dass sie die Alarmanlage ausgeschaltet hatte.
Es war Zeit herauszufinden, warum.
Caterina ließ die Schultern kreisen, um sie zu lockern und
trat in den Gang hinaus, um zu lauschen. Links vernahm sie ein schwaches Geflüster, das wie das Rascheln von Blättern klang. Eine Frauenstimme. Ein leises Stöhnen, tief und männlich, unterbrach das Geflüster immer wieder.
Caterina ging an der Wand entlang bis zu dem erleuchteten Zimmer am Ende des Gangs. Je näher sie kam, desto besser konnte sie das regelmäßige Piepsen eines medizinischen Geräts hören. Es musste sich um Gloria Wells’ Zimmer handeln. Jetzt konnte sie die Worte ausmachen, die immer und immer wieder geflüstert wurden: SiebalanciertaufeinemDrahtseilsiebalanciertaufeinemDrahtseilsiebalanciertaufeinemDrahtseilsiebalanciertaufeinemDrahtseil …
Plötzlich brach das Geflüster ab, und Angst klopfte mit eisiger Faust gegen Caterinas Brust. Drahtseil? Sie holte tief Luft, sammelte sich und schob ihre Angst beiseite. Sie sprang ins Zimmer, duckte sich und suchte mit der gezückten Glock das Zimmer ab.
Innerhalb einer Millisekunde hatte sie einen Überblick gewonnen: zwei Betten an gegenüberliegenden Wänden, nur eines davon benutzt, dazwischen medizinische Apparate; ein Stuhl; ein Mann auf dem Boden; eine hellblonde Frau in Cordhose und blutbeflecktem Arztkittel am Fußende eines Bettes, einen Speer wie einen Spazierstock in einer Hand, einen Elektroschocker in der anderen.
Caterina richtete ihre Waffe auf die Frau und straffte sich. »Athena Wells?«
Sie schüttelte ihre hellen Locken und antwortete: »Früher einmal. Jetzt bin ich Hades.«
Im Bett lag eine kleine, abgezehrt wirkende ältere Frau, die Caterina beobachtete. Ihren Augen nach stand sie zwar unter starken Medikamenten, schien aber klar denken zu können. In ihrem Handrücken, der voller blauer Flecken war, steckte ein Port. »Helfen Sie mir«, wisperte Gloria Wells. »Meine Tochter ist wahnsinnig.«
Untertreibung, dachte Caterina.
Sie richtete ihre Pistole auf den Mann auf dem Boden. Aus Dr. Robert Wells’ Brust ragten die Elektroden eines Elektroschockers. Sein Kopf war zur Seite gerollt, und das Weiß seiner Augen schimmerte furchterregend in den Raum. Er stöhnte. Der Gestank von Urin und verbranntem Fleisch hing in der Luft. Caterina fragte sich, wie oft Athena Wells ihrem Vater wohl einen Elektroschock verpasst hatte.
»Sie ist hier, um euch umzubringen«, erläuterte Athena ihrem Vater. »Aber das werde ich nicht zulassen.«
Athena irrte sich, aber Caterina hatte nicht vor, sie zu korrigieren.
Caterinas Finger krümmte sich um den Abzug. Aber statt zu schießen, hörte sie sich fragen: »Woher wussten Sie, dass wir hier sind?«
»Ich wusste, dass die Seiltänzerin hier ist.«
Athenas Worte hingen deutlich in der Luft. Caterinas Haut prickelte. Sie hielt den Finger am Abzug und nickte in Wells’ Richtung. »Wieso?«
»Ich wärme ihn schon mal für Dante vor.«
»Das müssen Sie erläutern.«
»Xander ist nach Seattle, um Dante heimzuholen. Wir werden ihm Vater überlassen.«
Renatas zornige Worte kamen Caterina in den Sinn – Den tötest du langsam, ganz langsam .
Wells hatte ein unschuldiges Kind erbarmungslos gequält und gemartert, ein blutgeborenes Kind, und außerdem dessen Mutter ermordet. Wenn jemand die Chance verdiente, diesen Mann zu töten, dann war es Dante. Wenn sie ihm diese Möglichkeit einräumte, würde sie möglicherweise sein Vertrauen gewinnen. Dann konnte sie ihn nach Rom zu ihrer Mutter bringen. Caterinas Herz raste.
Sie richtete den Blick wieder auf Athena. »Wann ist Ihr Bruder zurück?«
Athenas meergrüne Augen schienen im Licht fast durchsichtig. »Sobald er Dante hat.«
»Bitte helfen Sie mir«,
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