02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
geheimnisvollen Augen richteten sich auf Heather. Er wirkte wieder konzentrierter.
»Ein FBI-Agent namens Rodriguez«, sagte sie. »Er hat Anzeige wegen Fahrlässigkeit gegen den Mann erstattet, an den du dich nicht erinnern kannst, weil dieser Mann Rodriguez’ Sohn wegen einer emotionalen Störung behandelte.«
»Dieser Sohn wurde dann der Güterwagen-Würger«, fügte Dante hinzu. Mit beiden Händen strich er sich die Haare aus der Stirn. Sein bleiches Gesicht wirkte nachdenklich, doch in seinen Augen schimmerte Schmerz auf. »Wollen wir wetten, dass Rodriguez’ Sohn Teil von Bad Seed war?«
»Da kannst du Gift darauf nehmen«, sagte Heather. »Das würde auch erklären, dass Rodriguez einen Senior Agent wie Lyons beauftragte, mich zu begleiten. Jemanden wie mich oder dich, der auf irgendeine Weise mit Bad Seed in Kontakt kam, will Rodriguez bestimmt im Auge behalten, und dazu braucht er Leute, denen er trauen kann, Leute mit bestimmten Fähigkeiten. Er muss Lyons sehr vertrauen.«
Sie drehte sich zur Seite und legte ihre Hand auf Dantes Wange. »Alles in Ordnung? Ich hätte dich das nicht lesen lassen sollen …«
»Nein, es war meine Entscheidung.«
»Ich mache uns Kaffee«, sagte sie, zog ihre Hand fort und stand auf. »Ich würde dir ja gerne was Stärkeres anbieten, aber solange Annie hier ist, tue ich das lieber nicht.«
»Je comprend, catin.«
Eerie gab Dantes Stuhl einen kleinen Kopfstoß und schnurrte. Dante hob ihn hoch und setzte ihn auf seinen Schoß.
»Er scheint dich sehr zu mögen«, sagte Heather und ging in die Küche. »Ich hatte eigentlich angenommen, Tiere hätten vor Nachtgeschöpfen Angst oder Respekt, so von Raubtier zu
Raubtier, weißt du. Aber bisher hat Eerie das Gegenteil gezeigt. «
»Nein, ich habe mit Tieren nie Probleme«, antwortete Dante. »Manchen Nachtgeschöpfen fällt der Umgang nicht so leicht, aber das sind nur die Idioten, weißt du? Ich glaube, es liegt daran, dass wir alle ein Teil der natürlichen Welt sind.«
Merkwürdiger Gedanke. Vampire als Teil der Natur. Heather gab einige Löffel Kaffeepulver in den Filter, schüttete Wasser in die Kaffeemaschine und schaltete diese ein. Dann kehrte sie zum Tisch zurück, an dem Dante noch saß.
Eerie hatte es sich auf seinem Schoß bequem gemacht. Er lag mit geschlossenen Augen schnurrend da, während Dante ihn mit der linken Hand unterm Kinn kraulte. In der rechten hielt er ein Bild. Heather warf einen Blick darauf. Es zeigte Shannon und James, wie sie nebeneinander auf einer Couch mit Blumenmuster saßen und war kurz vor ihrer Hochzeit, also auch vor Heathers Geburt, aufgenommen worden.
Es zeigte Shannon, wie sie James einen Kuss auf die Wange gab. Ihre Hände mit zart lila lackierten Fingernägeln hielten seinen Schenkel fest, der in einer Jeans steckte. Ihr langes rotes Haar, im damaligen Stil etwas toupiert, umrahmte ihr Gesicht. James lachte, und die Augen hinter seiner Brille waren geschlossen. Eine honigblonde Locke fiel ihm in die Stirn. Beide sahen unglaublich jung und glücklich aus.
Wenn Heather ihren Vater gefragt hätte, hätte er sich dann überhaupt noch an jene Minute des Glücks erinnern können, die mehr als zwanzig Jahre zurücklag? Minuten des Lachens und des Glücks verschwanden so schnell, wehten davon wie eine Sommerbrise. Aber Tragödien und Unglück brannten sich in die Herzen und Seelen wie ein Blitzeinschlag, der innerhalb einer Sekunde alles veränderte …
Eure Mutter wird nicht mehr heimkommen.
… auf immer.
»Du siehst ihr sehr ähnlich«, murmelte Dante mit einer belegt klingender Stimme.
»Vielleicht ein wenig«, gab Heather zu. »Seit sie gestorben ist, träume ich immer wieder von ihrem Tod, Alpträume, meine ich wohl.«
Dante nickte.
»Allerdings sind diese Träume seit Washington irgendwie verständlicher und detaillierter geworden, und sie fühlen sich nicht mehr wie Träume an. Ich habe das Gefühl, die Welt durch ihre Augen zu sehen. Letzte Nacht hatte ich tatsächlich den Eindruck, Shannon Wallace zu sein.« Heather hielt einen Augenblick lang inne, ehe sie weitersprach. »Liegt das an dir?«
Behutsam legte Dante das Bild ihrer Eltern auf den Tisch zurück. Er sah Heather gedankenvoll und beunruhigt an. »Könnte sein. Aber falls dem so ist, habe ich es jedenfalls nicht absichtlich gemacht.«
»Das weiß ich«, sagte Heather sanft. »Ich mache dir keine Vorwürfe. Ich versuche es nur zu verstehen. Eventuell hat ja auch mein Nahtoderlebnis etwas in mir
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