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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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diesem Tag nicht im Senat blickenlassen, aber das war nie Caesars Stil gewesen. Als die Auspizien gedeutet waren, ging er in den Sitzungssaal und ließ sich – zwei Plätze neben Quintus – auf die Prätorenbank nieder, während Cicero auf der gegen überliegenden Seite des Gangs bei den anderen Exkonsuln Platz nahm.
    Die Sitzung hatte kaum begonnen, da sprang der ehemalige Prätor Cornificius, der sich als Hüter des religiösen Anstands betrachtete, auch schon auf und forderte eine Dringlichkeitsdebatte über die »beschämenden und lasterhaften Vorfälle«, die sich letzte Nacht im offiziellen Amtssitz des Pontifex Maximus zugetragen haben sollen. Rückblickend betrachtet, hätte das schon das endgültige und sofortige Ende für Clodius bedeuten können. Er hatte damals noch nicht einmal das Recht auf einen Sitz im Senat. Zu seinem Glück führte den Senatsvorsitz im Dezember niemand anderer als sein Stiefschwiegervater Murena, der, unabhängig von seiner persönlichen Meinung zu dem Thema, alles Erdenkliche zu tun bereit war, um seiner Familie weitere Peinlichkeiten zu ersparen.
    »Dies ist kein Thema, mit dem sich der Senat zu befassen hat«, befand Murena. »Die Untersuchung derartiger Vorkommnisse fällt in die Zuständigkeit der religiösen Amtsgewalt.«
    Das rief Cato auf den Plan, der angesichts solcher Dekadenz mit vor Erregung leuchtenden Augen von seinem Platz
aufsprang. »Dann stelle ich den Antrag, dass dieses Haus das Priesterkollegium der Pontifices auffordert, eine Untersuchung durchzuführen, über deren Ergebnis der Senat so schnell wie möglich zu unterrichten ist.«
    Murena hatte kaum eine andere Wahl, als den Antrag zur Abstimmung zu stellen, der dann auch ohne Diskussion angenommen wurde. Schon vorher hatte Cicero mir gesagt, dass er sich nicht einmischen werde. (»Wenn Cato und die anderen darauf herumreiten wollen, von mir aus, ich halte mich da raus, das ist würdevoller.«) Als es dann jedoch so weit war, konnte er der Versuchung nicht widerstehen. Feierlich erhob er sich von seinem Platz und schaute Caesar direkt an. »Da dieser angebliche Skandal unter des Hohen Priesters eigenem Dach vorgefallen ist, kann er uns vielleicht das ärgerliche Warten auf den Untersuchungsbericht ersparen und uns gleich jetzt mitteilen, ob es zu einem anstößigen Vorfall in seinem Haus gekommen ist oder nicht.«
    Nach Ciceros Abdankung als Konsul hatte ich wieder meinen alten Platz neben dem Eingang einnehmen müssen, doch selbst von da aus konnte ich sehen, wie der Kinnmuskel in Caesars verkrampftem Gesicht zuckte, als er sich erhob, um zu antworten. »Die Riten der Bona Dea fallen nicht in die Zuständigkeit des Pontifex Maximus, ihm ist es nicht einmal gestattet, während der Kulthandlungen anwesend zu sein.« Er setzte sich wieder.
    Cicero setzte ein verblüfftes Gesicht auf und erhob sich wieder. »Aber die Frau des Pontifex Maximus hat doch sicher die Zeremonie geleitet. Irgendetwas muss ihm da doch zu Ohren gekommen sein.« Er ließ sich wieder auf seinen Platz fallen.
    Caesar zögerte ganz kurz, stand dann auf und sagte ruhig: »Diese Frau ist nicht mehr meine Ehefrau.«
    Aufgeregtes Getuschel auf allen Bänken. Cicero stand wieder auf. Jetzt klang er aufrichtig verblüfft. »Dürfen wir
das so verstehen, dass es tatsächlich zu einem Skandal gekommen ist?«
    »Nicht notwendigerweise«, sagte Caesar und setzte sich abermals.
    Cicero stand auf. »Aber wenn es keinen Skandal gegeben hat, warum hat sich der Pontifex Maximus dann von seiner Frau getrennt?«
    »Weil die Frau eines Pontifex Maximus über jeden Zweifel erhaben sein muss.«
    Die Kaltschnäuzigkeit der Antwort sorgte für beträchtliche Heiterkeit. Cicero stand nicht wieder auf, sondern bedeutete Murena mit einem Handzeichen, dass er nicht weiter nachhaken wolle. Hinterher, auf dem Nachhauseweg, sagte er nicht ohne einen Anflug von Bewunderung zu mir: »Das war das Skrupelloseste, was ich im Senat je erlebt habe. Was meinst du, wie lange waren Caesar und Pompeia verheiratet?«
    »Sechs oder sieben Jahre, würde ich sagen.«
    »Trotzdem: Ich bin mir sicher, dass er erst in dem Augenblick entschieden hat, sich von ihr zu trennen, als ich ihm diese Frage gestellt habe. Da hat er begriffen, dass das der beste Befreiungsschlag ist. Eins muss man ihm lassen: So lässig würden sich die meisten Männer nicht mal von ihrem Hund trennen.«
    Mir war etwas schwer ums Herz, als ich an die wunderschöne Pompeia dachte, und fragte mich, ob sie schon

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