02 Titan
Heldentaten von Pompeius und seinen Legionen im Osten rühmte, wobei er wusste, dass seine Ausführungen auf schnellstem nur möglichem Weg an den großen General weitergeleitet und von diesem begierig studiert werden würden. Die Senatoren trampelten mit den Füßen und bekundeten mit anhaltenden Bravorufen ihre Zustimmung, wusste doch jeder der Anwesenden, dass Pompeius der mächtigste Mann der Welt war, und niemand, nicht einmal seine missgünstigsten Feinde unter den Patriziern, wollte in seinem Lob zögerlich erscheinen.
»Wie Pompeius im Ausland, so müssen wir zu Hause für unsere Republik streiten«, fuhr Cicero fort. »Ihre Ehre energisch verteidigen und ihren Kurs klug bestimmen, zum Wohle der Harmonie in unseren eigenen Mauern.« Er machte eine Pause. »Nun, ihr alle wisst, dass heute Morgen, noch vor Sonnenaufgang, das Gesetz des Volkstribuns Servilius Rullus, das wir so lange erwartet haben, schließlich auf dem Forum angeschlagen wurde. Im gleichen Augenblick, da ich davon erfuhr, machten sich auf meinen Befehl hin zahlreiche Kopisten auf den Weg, um eine exakte Niederschrift des Gesetzes anzufertigen und mir auszuhändigen.« Er streckte den Arm zu mir nach unten, und ich gab ihm die drei Wachstafeln. Meine Hand zitterte, während die seine die Tafeln hoch in die Luft hielt, ohne sich im mindesten zu bewegen.
»Hier ist das Gesetz. Und ich versichere euch aufrichtig, dass ich es so sorgfältig studiert habe, wie mir das angesichts der Umstände des heutigen Tages und der Zeit, die mir dafür zur Verfügung stand, möglich war. Meine Meinung dazu steht fest.«
Er wartete und ließ seinen Blick durch die Kammer schweifen – zu Caesar, der den Konsul von seinem Platz in der zweiten Bankreihe ausdruckslos anschaute, und zu Catulus und den anderen Exkonsuln, die in der ersten Bank auf der Seite gegenüber saßen.
»Dieses Gesetz ist nichts weniger«, sagte Cicero, »als ein Dolch, der auf das Staatswesen gerichtet ist und den wir uns eigenhändig ins Herz stoßen sollen.«
Seine Worte riefen umgehend erregte Reaktionen hervor – zornige Zwischenrufe und abfällige Handbewegungen von den Bänken der Popularen und dumpfe, maskulin grollende Zustimmung vonseiten der Patrizier.
»Ein Dolch«, wiederholte er, »mit einer langen Klinge.« Er klappte die erste Tafel auf. »Paragraf eins, Seite eins, Zeile eins. Die Wahl der zehn Kommissionsmitglieder …«
In dieser Manier zerriss er das Gespinst aus Ablenkungsmanövern und Gefühlsduselei und kam zum Kern des Themas, das wie immer nur eines war: die Macht. »Wer beantragt die Kommission?«, fragte er. »Rullus. Wer bestimmt, wer die Kommissionsmitglieder wählt? Rullus. Wer beruft die Versammlung ein, die die Kommissionsmitglieder wählt? Rullus …« Die patrizischen Senatoren fingen an, in Ciceros Antwort mit einzustimmen und nach jeder Frage im Chor den Namen des unglückseligen Volkstribuns zu rufen. »Wer verkündet die Ergebnisse?«
»Rullus!«, donnerte der Senat.
»Wer hat als Einziger einen sicheren Platz in der Kommission?«
»Rullus!«
»Wer hat das Gesetz geschrieben?«
»Rullus!« Und dann brüllte die Kammer los und vergoss Tränen des Gelächters über ihren eigenen Scharfsinn, während der arme Rullus scharlachrot anlief und sich nach allen Seiten umsah, als suchte er ein Loch, in das er sich verkriechen könnte. Cicero machte sicher noch eine halbe Stunde so weiter. Paragraf um Paragraf zitierte er aus dem Gesetz, machte es lächerlich und zerfetzte es mit derart wüsten Worten, dass die Senatoren rund um Caesar und die auf der Bank der Volkstribunen zusehends finsterer dreinschauten. Es war phänomenal, wenn man bedachte, dass er nur etwa eine Stunde Zeit gehabt hatte, seine Gedanken zu ordnen. Er brandmarkte das Gesetz als Angriff auf Pompeius – der sich in absentia nicht zur Wahl für die Kommission aufstellen lassen könne – und als einen Versuch, im Gewand der Kommissionsmitglieder die Könige wiederauferstehen zu lassen. Er zitierte ausgiebig aus dem Gesetz – »Die zehn Kommissionsmitglieder bestimmen Kolonisten, die ihnen zusagen, in Städten und Bezirken, die sie aussuchen, und teilen ihnen Land zu, wo immer es ihnen gefällt« – und ließ es mit seiner eintönigen Sprache wie einen Ruf nach Tyrannei erscheinen.
»Und was dann? Welche Art von Ansiedlungen sollen das sein? Wie sollen sie angelegt und verwaltet werden? ›Es werden Kolonien aufgebaut‹, sagt Rullus. Wo? Mit welchen Männern? An welchen
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