02 Titan
herausragender Abstammung und Erscheinung. Als er vor die Senatoren trat, schaute er seine Kollegen mit flehenden Augen an, doch keiner von denen, die ein Vierteljahrhundert lang mit ihm im höchsten Rat des Staates gesessen hatten, erwiderte seine Blicke. Nur widerwillig identifizierte er die zwei letzten Briefe, die beide sein Siegel trugen. Der Brief an die Gallier enthielt den gleichen Text wie die zuvor vorgelesenen. Der zweite war an Catilina adressiert. Cicero brach das Siegel auf.
»›Am Überbringer dieser Botschaft wirst du erkennen, wer ich bin‹«, las Cicero. »›Sei ein Mann. Vergiss nicht, wie gefährlich deine Lage ist. Überlege dir genau, was du jetzt zu tun hast, und verschaffe dir Hilfe, wo immer du sie finden kannst – und sei es von den Niedrigsten der Niedrigen.‹« Cicero hielt den Brief vor Sura in die Höhe. »Hast du das geschrieben?«
»Ja«, erwiderte Sura mit würdevoller Stimme. »Ich kann nichts Verbrecherisches darin erkennen.«
»Diese Wendung, ›von den Niedrigsten der Niedrigen‹ … was soll das heißen?«
»Arme Leute … Hirten, Pachtbauern, in der Richtung.«
»Ist das für einen sogenannten Helden der Armen nicht eine ziemlich hochmütige Bezeichnung für diese Mitbürger?« Cicero wandte sich an Volturcius. »Du solltest diesen Brief in Catilinas Hauptquartier abgeben, richtig?«
Volturcius senkte die Augen. »Ja.«
»Was genau meint Sura mit dieser Wendung ›von den Niedrigsten der Niedrigen‹ ? Hat er es dir gesagt?«
»Ja, Konsul, das hat er. Er meint damit, Catilina solle die Sklaven zum Aufstand ermutigen.«
Der zornige Aufschrei, der auf diese Enthüllung folgte, kam fast einer körperlichen Attacke gleich. Die Sklaven zum Aufstand aufzustacheln war, so wenige Jahre nach dem Chaos, das Spartacus und seine Anhänger entfesselt hatten, noch verwerflicher als eine Allianz mit den Galliern. Mehrere Senatoren sprangen auf, rannten quer durch den Tempel und versuchten, Sura den purpurfarbenen Saum von der Toga zu reißen. Er stürzte zu Boden und war in dem Knäuel aus Angreifern und Wachleuten für ein paar Augenblicke nicht mehr zu sehen. Große Teile seiner Toga wurden ihm vom Leib gerissen, so dass er fast nur noch in Unterwäsche dastand. Seine Nase blutete, und das normalerweise pomadisierte und frisierte Haar stand ihm wirr vom Kopf ab. Cicero befahl, eine frische Tunika zu holen, und als diese schließlich gebracht wurde, stieg er selbst vom Podium herab und half Sura, sie anzulegen.
Nachdem die Ruhe einigermaßen wiederhergestellt war, ließ Cicero darüber abstimmen, ob Sura seines Amtes enthoben werden sollte oder nicht. Der Senat antwortete mit einem überwältigenden »Ja!«, was von großer Bedeutung war, da Sura nun nicht mehr vor Bestrafung geschützt war. Sura, der sich das Blut von der Nase tupfte, wurde abgeführt, und der Konsul setzte die Befragung von Volturcius fort. »Die fünf hier anwesenden Verräter sind nun zur Gänze enttarnt und können sich den Blicken der Öffentlichkeit nicht länger entziehen. Weiß du noch von anderen, gibt es noch weitere Verschwörer?«
»Ja, die gibt es.«
»Wie sind ihre Namen?«
»Autronius Paetus, Servius Sulla, Cassius Longinus, Marcus Laeca, Lucius Bestia.«
Alle schauten sich um, ob einer der Genannten anwesend war, was aber nicht der Fall war.
»Die üblichen Verdächtigen also«, sagte Cicero. »Ist das
Haus damit einverstanden, dass auch diese Männer verhaftet werden?«
»Ja!«, hallte es ihm entgegen.
Cicero wandte sich wieder an Volturcius. »Gab es noch mehr?«
»Ich habe noch von ein paar anderen gehört.«
»Die Namen!«
Volturcius zögerte und schaute sich nervös um. »Gaius Julius Caesar«, sagte er leise. »Und Marcus Licinius Crassus.«
Stöhnen und überraschtes Pfeifen waren zu hören. Caesar und Crassus schüttelten ärgerlich den Kopf.
»Aber du hast keine handfesten Beweise für ihre Verwicklung?«
»Nein, Konsul. Das waren immer nur Gerüchte.«
»Streiche die Namen aus dem Protokoll«, wies Cicero mich an. »Senatoren, wir beschäftigen uns hier mit Beweisen«, sagte er, wobei er die Stimme heben musste, um sich gegen das erstaunte Gemurmel Gehör zu verschaffen. »Mit Beweisen, nicht mit Spekulationen.«
Es dauerte eine Zeit, bis er fortfahren konnte. Caesar und Crassus schüttelten immer noch den Kopf und beteuerten den neben ihnen sitzenden Senatoren mit ausschweifenden Gesten ihre Unschuld. Gelegentlich blickten sie in Richtung Cicero, ihren
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