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02 - Von dir kann ich nicht lassen

02 - Von dir kann ich nicht lassen

Titel: 02 - Von dir kann ich nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
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Applaus. Nicht der gedämpfte Applaus einer Ansammlung Mitglieder der Beau
monde aus Höflichkeit für einen der ihren, sondern die enthusiastische
Anerkennung eines Publikums, das durch einen wahrhaft talentierten Künstler
einige Minuten lang in eine andere Dimension getragen worden war.
    Jane
wirkte überrascht und ein wenig verlegen. Aber recht gefasst. Sie neigte den
Kopf und wartete, dass der Applaus verklänge und von erwartungsvoller Stille
ersetzt würde.
    Dann
sang sie Händels »Art Thou Troubled?« Es war gewiss eines der schönsten
Musikstücke, das jemals für eine Altstimme komponiert worden war. Der Meinung
war Jocelyn schon immer gewesen. Aber heute Abend schien es, als wäre es nur
für sie geschrieben worden. Er vergaß die Probleme, die es ihm bereitet hatte,
eine authentisch klingende Begleitung für die Worte zu improvisieren. Er
spielte einfach, lauschte ihrer vollen, disziplinierten, aber emotional
beladenen Stimme und merkte, dass er einen Kloß in der Kehle hatte, als müsse
er weinen.
    »>Art
thou troubledMusic will calm thee. Art
thou weary? Rest shall be thine, rest shall be thine.<«
    Er
musste schon lange bekümmert und überdrüssig sein, dachte Jocelyn jäh. Er hatte
schon immer gewusst, dass die verführerische Macht der Musik tröstlich war.
Aber es war stets ein verbotener Trost gewesen, eine geleugnete Ruhe. Etwas,
was sanft war, unmännlich, nicht für ihn, einen Dudley, einen Duke of Tresham.
    »>Music.<«
Sie atmete ein, und ihre volle Stimme schwang sich empor. »>Music calleth,
with voice divine.<«
    Ah, ja,
mit göttlicher Stimme. Aber ein Dudley sprach stets nur mit fester, männlicher,
sehr menschlicher Stimme und hörte kaum jemals zu. Zumindest nicht dem, was
außerhalb des Bereichs seines aktiven Alltagslebens lag, in dem er Beherrschung
und Macht etabliert hatte. Gewiss nicht der Musik, oder dem gesamten geistigen
Bereich, den Musik anrühren konnte, indem sie den Zuhörer jenseits des reinen
Selbst und der begrenzten Welt der Sinne zu etwas entführte, was man nur
fühlen, nicht in Worten ausdrücken konnte.
    Der
Kloß in seiner Kehle wich nicht, als das Lied endete. Er schloss kurz die
Augen, während Applaus erneut die Stille unterbrach. Als er sie wieder öffnete,
sah er, dass sich seine Gäste einer nach dem anderen erhoben, noch immer
klatschend, während Jane zutiefst verlegen wirkte.
    Er
erhob sich von der Bank, ignorierte seinen Spazierstock, nahm ihre rechte Hand
in seine und hob sie hoch. Endlich lächelte sie und knickste.
    Als
Zugabe sang sie das beschwingte und hübsche, aber schwierige »Robin Adair«. Er
würde sie morgen zweifellos daran erinnern, dass er ihr das vorausgesagt hatte,
dachte Jocelyn, aber er erkannte, dass er sie heute Abend nicht necken konnte.
    Nach
der Zugabe wollte sie aus dem Raum entfliehen. Sie tat einige eilige Schritte
in Richtung des Gangs zwischen den Stuhlreihen, der zu den Türen führte. Aber
seine Gäste hatten ihre Plätze bereits verlassen und verfolgten andere Pläne.
Der Unterhaltungsteil des Abends war vorüber. Nun war Essenszeit. Und
Ferdinand trat ihr in den Weg.
    »Donnerwetter,
Miss Ingleby«, sagte er mit echter Begeisterung. »Eine sehr hübsche Darbietung.
Sie singen großartig. Kommen Sie zur Erfrischung in den Speisesaal.«
    Er
verbeugte sich, lächelte, bot ihr seinen Arm und setzte all den beträchtlichen
Charme ein, dessen er fähig war, wenn seine Gedanken nicht bei Pferden und der Jagd
und Prügeleien und den letzten bizarren Wetten in den Clubs waren.
    Jocelyn
verspürte unerklärliche Mordlust.
    Jane
versuchte mit mehreren Ausflüchten davonzukommen, aber innerhalb weniger
Sekunden war Ferdinand nicht mehr der einzige, den sie überzeugen musste. Sie
war von Gästen beiderlei Geschlechts umringt, die mit ihr reden wollten. Aber
obwohl ihre Position im Dudleyhaus als seine Pflegerin sowie die Umstände, die
zu ihrer Anstellung geführt hatten, für die Leute zweifellos faszinierend
waren, die bei Klatsch und Skandalen aufblühten, glaubte Jocelyn nicht, dass
nur diese Tatsachen allein so viel Aufmerksamkeit auf sie zogen. Es war ihre
Stimme.
    Wie
konnte er ihr vor zwei Nächten zugehört haben, fragte er sich nun, ohne zu
erkennen, dass es nicht nur eine außerordentlich hübsche Stimme war? Es war
auch eine gut ausgebildete Stimme. Und eine gute Stimmausbildung war gewiss
nichts, was man in einem Waisenhaus erfuhr, auch nicht in einem ausgezeichneten
Waisenhaus.
    Ferdinand
führte

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