02 - Von dir kann ich nicht lassen
Miss Ingleby, und den kräftigsten Dienstboten rufen, den Sie finden
können.«
Sie
verließ den Raum ohne ein weiteres Wort.
Was
wäre, wenn ihre Beschreibung in London die Runde machte?, dachte sie plötzlich.
Was wäre, wenn sie am Donnerstagabend das Musikzimmer betrat und sich die
versammelten Gäste zahlreich erhoben, um anklagend mit den Fingern auf sie zu
zeigen?
Sie
konnte sich des törichten Gefühls nicht erwehren, dass es in gewisser Weise
eine Erleichterung wäre.
Kapitel 10
Jocelyn empfing
nicht oft Gäste, aber wenn er es tat, dann in großem Stil. Sein Küchenchef
grollte, weil ihm die gewaltige Aufgabe, zu Beginn des Abends ein großes Diner
sowie ein schmackhaftes, zur Mitternacht bereitzuhaltendes Abendessen
vorzubereiten, nicht angekündigt worden war. Aber er begab sich schwungvoll und
mit kreativer Energie daran, anstatt auf der Stelle zu resignieren, wie er es
jedes Mal zu tun drohte, wann immer er kurz in der Arbeit innehielt, um Atem zu
schöpfen.
Die
Haushälterin beschwerte sich nicht, sondern befehligte ihre Truppen mit
grimmiger Entschlossenheit, jedes Stäubchen aus den Räumen zu verbannen, die
für die Bewirtung genutzt wurden, und jede Oberfläche zu polieren und glänzen
zu lassen. Sie arrangierte auch die üppigen Mengen Blumen, die Michael Quincy
bestellt hatte.
Wie
Jocelyn es vorausgesagt hatte, nahmen fast alle seine Einladung an, auch wenn
dies für manche bedeutete, andere Verpflichtungen im letzten Moment absagen zu
müssen. Man hatte nicht oft die Gelegenheit, an einem Diner und einer Soirée im
Dudleyhaus teilzunehmen,
Jocelyn
wies seine Haushälterin an, ein Dienstmädchen auszuwählen oder einzustellen,
das eine Lady perfekt frisieren könnte. Er spielte mit dem Gedanken, Jane
Ingleby auch zu einer eleganten Modistin mitzunehmen, um in aller Eile ein
Abendkleid anfertigen zu lassen er besaß erheblichen Einfluss auf zwei
oder drei der exklusivsten Damenschneider , aber er tat es nicht. Sie
würde sich zweifellos unnötig aufregen und sich letztendlich weigern zu singen.
Außerdem sollte sie nicht zu sehr wie eine Lady wirken, beschloss er, damit
sich seine Gäste nicht über die Rechtmäßigkeit dessen Gedanken machen müssten,
dass sie drei Wochen als seine Pflegerin unter seinem Dach verbracht hatte.
Während
des Nachmittags verbrachte er einige Zeit mit ihr im Musikzimmer, wo sie zwei
sehr verschiedene Lieder einübten, um sowohl ihre Stimme präsentieren, als auch
eine Zugabe bieten zu können, eine Möglichkeit, die Jane als Unsinn abtat, auf
der er aber beharrlich bestand.
Er
stellte fest, als er sich für den Abend ankleidete, dass er nervös war. Eine
Tatsache, die ihn zutiefst beunruhigte und für die er sich zutiefst verachtete.
Als sie jünger
gewesen war und ihre Eltern beide noch gelebt hatten und gesund gewesen waren,
hatten in Candleford Abbey häufig Picknicks, Diners und Tanzveranstaltungen
stattgefunden. Ihre Eltern hatten die Gastlichkeit geliebt. Aber Jane glaubte
nicht, dass sie jemals auch nur annähernd fünfzig Gäste auf einmal eingeladen
hatten. Und selbstjene Gesellschaften, an die sie sich erinnerte, waren schon
lange Vergangenheit. Sie war noch ein Kind gewesen.
Sie saß
mehrere Stunden lang in ihrem Zimmer, bevor sie sich bereitmachte
hinunterzugehen, lauschte dem Klang ferner Stimmen und dem Lachen, und malte
sich aus, was geschah und noch geschehen würde, bevor sie zu ihrer Darbietung
gerufen würde. Aber es war unmöglich vorauszusagen, wann genau es geschähe.
Gesellschaften der Hautevolee waren, wie Jane sehr wohl wusste, völlig anders
als ihre Gegenstücke auf dem Lande, die fast niemals länger als bis elf Uhr
oder allerspätestens Mitternacht dauerten. Hier in der Stadt fand es niemand
seltsam, die ganze Nacht aufzubleiben und dann natürlich den ganzen
folgenden Tag zu verschlafen.
Vielleicht
würde sie nicht vor Mitternacht hinabgerufen. Sie würde vor Nervosität
zusammenbrechen, wenn sie so lange warten müsste.
Aber
schließlich konnte sie an der Kaminuhr erkennen, dass Adele, das französische
Dienstmädchen, das für diesen Abend eingestellt worden war, um ihr Haar zu
frisieren, innerhalb der nächsten zehn Minuten an ihre Tür klopfen würde. Es
war an der Zeit, sich anzukleiden.
Es war
viel zu spät zu bereuen, dass sie diesem Wahnsinn zugestimmt hatte. Niemand
unter den Gästen und sie hatte die Gästeliste sehr sorgfältig geprüft
würde um ihre Identität wissen. Aber der Earl of Durbury war in der Stadt.
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