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02 - Von dir kann ich nicht lassen

02 - Von dir kann ich nicht lassen

Titel: 02 - Von dir kann ich nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
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Was
wäre, wenn jedermann, der heute Abend hier weilte, ihre Beschreibung erhalten
hatte? Ihr Magen verkrampfte sich. Aber es war zu spät.
    Sie
legte entschlossen ihre Dienstmädchenkleidung ab und zog sich das sorgfältig
gebügelte Musselinkleid mit einem Muster aus Zweigen über den Kopf, das sie
zuvor auf ihrem Bett bereitgelegt hatte. Es war ein perfekt passendes Kleid für
einen Nachmittagstee auf dem Lande. Natürlich war es selbst dort nicht für eine
Abendgesellschaft geeignet, aber das war unwichtig. Sie nahm immerhin nicht als
Gast an der heutigen Gesellschaft teil.
    Sie
erschauderte vor Kälte, Aufregung und Angst.
    Sie
hatte niemals vorgehabt, sich zu verbergen, als sie nach London floh. Sie
hätte, nachdem sie die schreckliche Entdeckung gemacht hatte' dass Lady Webb
nicht zu Hause war, dachte Jane verspätet, in dem Hotel bleiben sollen, wo sie
sich ein Zimmer genommen hatte, um sich mit der Bitte um Barmittel an den
Sachverwalter des Earl in der Stadt zu wenden. Sie hätte aller Welt kühn
verkünden sollen, dass sie während der Abwesenheit des Earl und der Countess
von Candleford von einem betrunkenen Schurken beleidigt und tätlich,
angegriffen worden war und sich vollkommen zu Recht gewehrt hatte, indem sie
ihn mit einem Buch geschlagen hatte und dann vor ihm zurückgewichen war.
    Aber
sie hatte das nicht getan, und nun war es zu spät dazu.
    Sie
verbarg sich. Und würde sich doch gleich fünfzig Mitgliedern der Créme de la
Créme der britischen Gesellschaft zeigen.
    Welcher äußerste Wahnsinn.
    Eine
weibliche Stimme lachte schrill in der Ferne.
    Jemand
klopfte an Janes Tür und ließ sie törichterweise zusammenzucken. Adele war
gekommen, um ihr das Haar zu richten.
    Um elf Uhr
verkündete Lady Heyward, Jocelyns Gastgeberin an diesem Abend, das Ende der
Kartenspiele, während Jocelyn im Salon einige Diener anwies, das Pianoforte in
die Mitte des Raumes zu verschieben und die Stühle entlang den Wänden
anzuordnen. Der musikalische Teil des Abends würde gleich beginnen.
    Mehrere
der jüngeren Damen spielten bereitwillig auf dem Pianoforte vor oder sangen
oder wurden zumindest dazu überredet. Ein Gentleman Lord Riding
war sogar so mutig, mit seiner Verlobten ein Duett zu singen. Alle Vorträge
waren gekonnt. Die Gäste lauschten mehr oder weniger aufmerksam und
applaudierten höflich. Dies war immerhin für sie alle eine vertraute Form der
Abendunterhaltung. Nur wenige der anerkannten Förderer der Kunst engagierten
manchmal professionelle Künstler. Bei solchen Gelegenheiten wurde der Abend als
Privatkonzert angekündigt.
    Schließlich
stand Jocelyn mit Hilfe seines Spazierstockes auf,
    »Sie
dürfen sich nun gerne einige Minuten erheben und umherwandern«, sagte er, als
er die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen hatte. »Ich habe vor dem
Abendessen einen besonderen Gast zu Ihrer Unterhaltung verpflichtet. Ich werde
sie holen.«
    Seine
Schwester sah ihn überrascht an. »Wer kann sie nur sein, Tresham?«, fragte sie.
»Wartet sie in der Küche? Wo, um alles in der Welt, hast du sie gefunden, wo du
doch während der letzten drei Wochen hier oben fast eingesperrt warst?«
    Aber er
neigte nur den Kopf und verließ den Raum. Als der Narr, der er war, hatte er
den ganzen Abend fast an nichts anderes denken können als an diesen Moment. Er
hatte nur gehofft, dass sie ihre Meinung nicht ändern würde. Fünfhundert Pfund
waren natürlich ein beträchtlicher Anreiz, aber er war der Meinung, dass Jane
Ingleby selbst mit fünftausend Pfund nicht zu überzeugen gewesen wäre, wenn sie
beschlossen hätte, nicht zu singen.
    Er war
zwei Minuten lang in der Eingangshalle auf und ab gegangen, nachdem er Hawkins
nach ihr hinaufgeschickt hatte, und hatte sich dabei schwer auf seinen
Spazierstock gestützt, bevor sie auf der Treppe erschien. Sie hielt auf der
dritten Stufe inne und schien wie eine gekonnte Nachahmung einer Statue eine
bleiche, angespannte Statue mit zu einer dünnen, harten Linie
zusammengepressten Lippen, die nichtsdestotrotz wie ein Engel aussah. Das
luftige, einfach geschnittene Musselinkleid unterstrich ihre Figur wunderbar
und betonte ihre große, schlanke Anmut. Ihr Haar nun, er war wie
gebannt und konnte den Blick nicht davon abwenden. Es war nicht kunstvoll
gestaltet, war nicht gekräuselt oder übertrieben gelockt, wie er fast
befürchtet hatte. Es war in Form gebracht, aber die ganze übliche Strenge war
fort. Es wirkte weich und gesund und glänzend und vornehm. Und wie pures

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