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02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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ist grau gemustert und weich und wird die Rückseite werden. Die Wattierung kommt in die Mitte, also sandwich-mäßig zwischen Vorder- und Rückseite. Und die Vorderseite soll ich aus diesen zwölf anderen Stücken zusammensetzen. Es sind hübsche Farben, Baumwolle, alle so im Batikmuster, in grün und gelb und blau, mit hellem Muster. Ich lege die Stoffstücke nebeneinander und es sieht jetzt schon fast aus wie ein amerikanischer Quilt, obwohl ich doch noch gar nichts gemacht habe.
    Janet zeigt mir, wie ich den Stoff verarbeiten muss. Zuerst schneide ich schmale Streifen, das geht einfacher als erwartet, weil man es nicht mit einer Schere schneidet, sondern mit einer Art Pizzaroller, nur in scharf. Dann werden die Streifen in Stücke geschnitten, in verschieden große Stücke. Dann wird alles zusammengenäht, in Quadrate nach einem bestimmten Muster, so dass es möglichst gut durcheinander ist und gleichzeitig passend aussieht. Außer mir und Janet und April sind noch fünf andere Frauen da. Jede macht einen anderen Quilt. Jede hat sich andere Farben ausgesucht, aber wir nähen alle das gleiche Muster: Hopscotch.
    Mittags gibt es Pizza mit Elchfleisch und Janet sagt, sie findet Elchfleisch viel besser als Karibufleisch. Und Mary sagt, sie findet Karibufleisch besser. Ist schmackhafter. Und dann reden sie über Bärenfleisch. Wie Bärenfleisch schmeckt. Anscheinend nicht so gut. Von den acht Frauen wissen sieben Frauen, wie Bärenfleisch schmeckt. Die achte bin natürlich ich. Ich habe in meinem Leben bisher weder Bärenfleisch noch Karibu noch Elch gegessen. Und ich hätte auch nie gedacht, dass ich das mal probieren würde. Aber die Elchfleisch-Pizza ist echt lecker.
    Die nächsten drei Tage verbringen wir praktisch in der Schule. Der Raum ist riesig, die Tische sind groß, es gibt Nähmaschinen und Bügeleisen, es gibt Kühlschränke und Mikrowellen und Herde und Geschirr. Wir nähen und kochen und essen und waschen ab und trinken Kaffee und lachen und erzählen Geschichten und plötzlich sind meine dreißig Quadrate fertig.
    Janet und Mary legen sie mit mir nach der Hopscotch-Vorlage auf dem Tisch aus und wir schieben es ein bisschen hin und her, bis es so richtig gut aussieht. Im Sinne von die Farben gut verteilt. Nicht zu viel Blau in einer Ecke, sondern schön mit dem Grün und Gelb gemischt. Die Farben und Muster im Gleichgewicht. Die sechs verschiedenen Stoffe so verteilt, dass es ein schönes Gesamtbild ergibt. Und dann darf ich alles zusammennähen. Ich nähe und nähe und nähe. Es ist ziemlich lange her, dass ich zum letzten Mal genäht habe. Dabei habe ich eine Nähmaschine, eine ziemlich alte, alt im Sinne von Jahren, ansonsten praktisch neu, weil fast nie benutzt. Ein Geschenk von Jorges Mutter übrigens, als Nicole drei war und ich mit Tiago schwanger. Kam damals nicht so gut bei mir an, habe ich irgendwie als Aufforderung verstanden, als – wie soll ich sagen – als versteckte Kritik. Dass ich mehr tun soll im Haushalt. Besser für meine Familie sorgen. Häuslicher sein.
    Mary fragt mich, ob ich die Jasmin Monteiro bin, die in Anna Schmidts Haus wohnt. Ich sage ja und Mary sagt, sie arbeitet auf der Post und da sind ein paar Briefe und die kann ich mir am Montag abholen.
    Post. Irgendwie habe ich überhaupt nicht mit Post gerechnet. Wer soll mir schreiben? Ich maile mir doch mit allen, oder wir skypen, oder wir schicken Nachrichten auf Facebook. Wer soll mir schreiben? Wer hat überhaupt meine Adresse?
    An die Quadrate kommt eine Borte. Meine Borte ist aprikosengelb und rahmt das Blau-Grün-Gelb super gut ein. Dann noch eine Reihe Quadrate außen dran. Und die Wattierung drunter und die Rückseite dran und die Umrandung drumrum.
    Mir tun die Schultern weh, ganz besonders die linke. Ich merke meinen Rücken. Ich stehe zwischendurch auf, trinke einen Kaffee und esse einen von den Cherry Squares, die Mary mitgebracht hat, und bewundere die anderen Quilts. Jeder schön. Jeder auf seine Art. Jeder anders. obwohl wir doch alle das gleiche Muster verwenden. Ich finde, das hat was. Und Spaß macht es auch.
    Am dritten Tag bin ich fast fertig, da passiert ein kleines Unglück, ich passe mit diesem scharfen Roller nicht auf und schon blutet der Zeigefinger. Aber wie. Aber richtig. April nimmt ein Stück Stoff, einen blau-gemusterten Batik-Rest, den keiner mehr braucht und macht mir einen Verband. Janet näht meine Umrandung fertig dran und dann sieht es doch in der Tat aus wie ein Quilt. Wie ein echter

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