020 - Die Blutgraefin
finden, wenn ich nicht vor dem Tor stand.
Das Fräulein erinnerte sich an meinen Anruf und zeigte mir, wo ich die gewünschten Zeitschriften finden konnte. Die Berichte waren äußerst interessant. Einen davon fand ich besonders aufschlussreich und einprägsam mit seinen düsteren, leidenschaftslosen Worten. Er war verhältnismäßig neu, erst vor ein paar Jahren geschrieben, und fasste im wesentlichen zusammen, was bisher an Material vorlag. Der Verfasser war Dr. E. Fiegweil.
Die Abhandlung stimmte mich sehr nachdenklich, aus einem Grund, den ich nicht kannte. Im Unterbewusstsein war etwas verborgen, das ich eigentlich hätte wissen müssen.
Aber ich vergaß, darauf näher einzugehen, als mich der Text des Artikels faszinierte. Die Beschreibung Erzsebéths zum Beispiel:
Sie hatte nichts von der gewöhnlichen Frau an sich, die der Instinkt und der Lebenswille vor den Dämonen fliehen lässt. Die Dämonen waren bereits in ihr: Ihre großen, dunklen Augen verbargen sie in ihrer düsteren Tiefe; ihr Gesicht war bleich.
Ihr Mund war geschwungen wie eine kleine Schlange auf ihrem Weg; sie hatte eine hohe, trotzige Stirn, die keinerlei Schwäche verriet. Und das Kinn wies jene weiche Rundung auf, die auf Geisteskrankheit oder ein besonderes Laster schließen lässt.
Erzsebéth Bathory wurde 1560 auf einem der Schlösser ihrer Familie im Osten Ungarns geboren, jenem Teil Ungarns, der im sechzehnten Jahrhundert noch weitgehend unter dem dunklen Einfluss heidnischer Hexen und Dämonen und Gottheiten stand. Sie entstammte einer sehr angesehenen Familie, zu ihren Vorfahren gehörten Könige, Reichsverweser und Wojwoden. Ihr Vater starb, als sie zehn war, und sie wurde offiziell mit Nadasdy Ference verlobt, der ebenfalls einer altangesehenen Familie angehörte. 1575 wurde sie seine Frau und lebte von nun an auf Schloss Csejthe, einem der Nadasdy-Schlösser.
Sie bekam einen Sohn, Pal, und drei Töchter, Anna, Orsolya und Katalin. Aber Erzsebéths Gemahl hielt sich wenig zu Hause auf. Der Krieg war sein Lebenselement.
Diese Einsamkeit wurde zum Nährboden ihrer düsteren Neigungen. Wenn sie ungeduldig war, pflegte sie ihre Dienerinnen mit Nadeln zu stechen oder zu beißen. Da bei der Landbevölkerung die Beschäftigung auf dem Schloss als eine Ehre angesehen wurde, fiel es Erzsebéths Diener Ujvary Janos, einem buckligen, kleingewachsenen Halbidioten, nicht schwer, neue Mädchen in den umliegenden Dörfern zu finden.
Erzsebéths Schönheit war selbst in ihren Vierzigern noch beeindruckend, aber es gab für sie immer weniger Gelegenheit, am glanzvollen öffentlichen Leben teilzunehmen, an den Hofbällen in Wien, denn ihr Gemahl kränkelte und starb schließlich am 4. Januar 1604.
Nun war sie allein, allmächtig auf ihrem Schloss, zurückgezogen von allen Dingen, die dem Leben Würze und Fröhlichkeit gaben. Nacht senkte sich auf ihr Gemüt herab und eine teuflische Angst vor dem Altern und der Hässlichkeit.
Jo Ilona, das einstige Kindermädchen, eine große, kräftige Frau aus Sarvar, war Erzsebéths treueste, ergebenste Helfershelferin in allen Grausamkeiten. Ein zweites böses und grausames Geschöpf, das Erzsebéth zur Hand ging, war Szentes Dorottya oder Dorko, wie sie auch genannt wurde, einst in Diensten Erzsebéths erster Tochter Anna. Als Anna heiratete und ihrem Gatten Zrinyi Mikeos zu dessen Wohnsitz folgte, blieb Dorko zurück.
Sie murmelte Zaubersprüche, bereitete alte Zaubermittel und zog Erzsebéth ganz in den Bann der Magie. Und aus all diesem Magischen und Heidnischen, das in ihr und um sie wucherte, drang ein Gedanke immer stärker hervor: das Blut von jungen Mädchen und Jungfrauen, die geheimnisvolle Flüssigkeit, in der die Alchimisten zuweilen glaubten, das Geheimnis des Golds entdeckt zu haben, sollte ihr die ewige Jugend schenken!
Ihr Hang zur Grausamkeit hatte nun völlig freie Bahn.
Nächtliche Begräbnisse häuften sich in Csejthe, und Gerüchte von ihrer Grausamkeit begannen aus Preßburg und Wien zu dringen. Drei- oder viermal im Jahr begab sie sich nach Wien, und in den Gasthäusern um den Dom herum und in denen der Weihburggasse nannte man sie nur noch die Blutgräfin. Da gab es Geschichten von Blut, das auf der Straße floss, von den Schreien der Mädchen, die ermordet wurden, und von den Verwünschungen der Mönche, die sich aus einem nahen Kloster erhoben.
Es folgte eine Beschreibung der Geschehnisse in Wien, die mir sehr bedeutungsvoll erschien, weil sie alle Elemente
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