020 - Die Blutgraefin
enthielt, denen ich bisher begegnet war:
In Wien gibt es ein Haus, das mit Tierhörnern angefüllt ist (das war mir aufgefallen, es lag neben Madames Haus); es liegt in der engen Schulerstraße, einer der ältesten Straßen der Stadt, die zur Dominikanerbastei hinabführt. Hinter diesem seltsamen Haus steigt eine Art Festung auf, die von zahlreichen kleinen Türen unterbrochen ist, ein dunkler, abweisender Block aus Häusern, die ineinander verschachtelt sind, mit Mauern bis zu zwei Meter Dicke und Wappen, die an längst versunkene Vergangenheit der Stadt erinnern. Dieses ganze Haus ist von einer fast greifbaren Atmosphäre von Leidenschaften, Mord und Gespenstern eingehüllt. Falltüren und Stiegen führen auf Höfe hinaus; über einem Altar brennt ein Ewiges Licht, dessen Aufgabe es zu sein scheint, mit Blumen und einem Bild der Heiligen Jungfrau die aus der Tiefe heraufflutenden dunklen Kräfte zurückzudrängen.
Aber die kalten Höfe scheinen jeder Reue gegenüber dem, dessen Zeugen sie wurden, unzugänglich …
Ich erinnerte mich schaudernd an meine eigenen Empfindungen, als ich mich in jenem Haus eingeschlossen gefunden hatte. Wie genau diese Beschreibung sie wiedergab.
Immer waren vier oder fünf nackte Mädchen da, und in diesem Zustand sahen die Burschen sie im Hof nähen oder Bündel binden. Nach dem Tod des Grafen fügte ihnen die Dame des Hauses schreckliche Brandwunden zu. Das Entsetzlichste, was sie tat, bestand darin, dass sie ihnen zuweilen mit den Fingern gewaltsam den Mund öffnete und so lange zog, bis die Mundwinkel platzten. Sie steckte ihnen Nadeln unter die Fingernägel oder fuhr mit einem heißen Bügeleisen über die Fußsohlen ihrer Dienerinnen. In den Vierteln der oberen Stadt, um die Ruprechtskirche herum und im Judenviertel suchte und fand Jo Ilona inzwischen neue Mädchen.
Ein gut bezahlter und durch Drohungen verängstigter Hufschmied hatte im Dunkel der Nacht ein unheimliches Gebilde aus Schmiedeeisen schaffen müssen, dessen Handhabung besonders schwierig war. Es handelte sich um einen zylindrischen Käfig aus Eisenstäben, die durch runde Stäbe zusammengehalten wurden; das Innere war mit scharfen Spitzen versehen. Kam der rechte Augenblick, und es geschah stets nachts, wurde diese Gebilde mit Hilfe einer Winde zur Decke emporgezogen. Von dort stiegen die Schreie auf, die die Mönche gegenüber weckten und ihren Zorn gegen dieses verfluchte Haus erregten.
Einige Augenblicke zuvor hatte Dorko eine völlig nackte Magd die Treppe des Kellers hinunter getrieben und sie an ihren aufgelösten Haaren gezerrt. Sie hatte die Magd in diesen Käfig gestoßen und dort eingesperrt, der dann bis zu der gewölbten Decke empor gewunden wurde. Dann erst erschien die Gräfin. Schon wie in Trance, mit weißem Leinen nur leicht bekleidet, ließ sie sich langsam auf einen Stuhl nieder, der unter dem Käfig stand. Dorko ergriff ein spitzes Eisen und begann damit, die Gefangene, die sich bei ihren ausweichenden Bewegungen an den Eisenspitzen des Käfigs erheblich verletzte, zu quälen. Blut rieselte auf die Gräfin, die weiß und regungslos und ihrer selbst kaum bewusst unter ihr hockte und ins Leere blickte, herab …
Das musste es sein, was die Seance hatte lebendig werden lassen. Es gab keinen Zweifel, dachte ich, jene Frau in Weiß konnte nur die Bathory gewesen sein …
Wenn dies alles beendet, wenn nämlich das junge Mädchen dort oben in dem engen Käfig zusammengebrochen, in Ohnmacht oder auch bereits in der Agonie lag (»von kleinen Löchern völlig übersät«, so heißt es beim Verhör), traf Beniezky Katalin ein, deren Aufgabe es war, jede Spur von Blut wegzuwischen. Sobald Erzsebéth wieder zu sich kam, raffte sie die Falten ihres langen, besudelten Gewandes zusammen und kehrte in ihr holzgetäfeltes Gemach zurück.
In Wien ließ man die Opfer, da es nicht viele von ihnen gab, mitten in der Nacht auf dem Friedhof begraben, wobei man sich hinter dem Vorwand verbarg, im Haus sei eine Epidemie ausgebrochen; oder Dorko und Katalin trugen sie am folgenden Abend auf eines der in der Nähe gelegenen Felder hinaus.
Dann stieß ich auf einen weiteren Hinweis, der etwas bestätigte, an das ich nicht recht glauben wollte: die Existenz dieser Hexe Darvulia. Es klang unwahrscheinlich – und dennoch …
Von 1604, also vom Todesjahr des Grafen Nadasdy an, hatte ein geheimnisvolles Geschöpf die völlige Macht über Erzsebéths Geist erlangt. Diese Frau kam aus dem tiefsten
Weitere Kostenlose Bücher