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020 - Die Blutgraefin

020 - Die Blutgraefin

Titel: 020 - Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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leichter.
     

     
    Ich wartete vergeblich im Keller. Es erklangen keine gequälten Schreie, kein Wimmern, kein Stöhnen. Ich lief durch den schmalen Gang und durchsuchte die Räume, in denen die Folterungen der vergangenen Nächte stattgefunden hatten.
    Nichts. Dort setzte ich mich müde und verzweifelt in den Staub und wartete in der Finsternis bis in den frühen Morgen.
    Ich verließ Madame und bat sie, mich anzurufen, wenn sie etwas in Erfahrung brächte. Aber wie sollte sie! Ich fuhr zu Ornellas Wohnung, aber die Zimmerwirtin fragte mich nur barsch, ob ich denn vergessen hätte, dass sie aufs Land gefahren sei. Mutlos kehrte ich ins Hotel zurück. Auch dort keine Ornella. Es war auch eine zu irrsinnige Hoffnung gewesen.
    Ich erfuhr, dass der Kommissar angerufen hatte. Das Mädchen war den Verletzungen erlegen und hatte nicht mehr aussagen können. Obwohl sie mir leid tat, war ich auch erleichtert. Das mag vielleicht roh klingen. Aber die ganze Zeit über hatte ich befürchtet, sie könnte aufwachen und erzählen, dass sie ihre Peinigerin mit mir zusammen gesehen hatte. Das hätte das Ende bedeutet.
    Aber war nicht auch so das Ende gekommen? Ein anderes, aber nicht weniger endgültiges und schmerzliches?
    Was konnte ich noch tun? Sie als vermisst melden? Das musste den Verdacht auf sie lenken. Nein. Ich konnte nur hoffen, dass der Kommissar sie nicht zu sprechen wünschte.
    Und dennoch – war sie in den Händen der Polizei nicht besser aufgehoben, als in jenen der alten blutgierigen Hexe?
    Ich schwankte. Aber dann beschloss ich, noch eine Nacht zu warten. Vielleicht fand man irgendwo eine Leiche, und ich bekam einen Hinweis, wo ich sie suchen konnte.
    Aber nichts dergleichen geschah. Die Nacht verging und der folgende Tag. Sie war entweder vorsichtiger geworden, oder sie hatte Wien verlassen. Wenn letzteres der Fall war, dann hätte unsere Reise nach München auch nicht geholfen, dann reichte Darvulias Einfluss weiter, als ich gedacht hatte.
     

     
    Madame rief noch am späten Nachmittag an und gab mir neue Hoffnung.
    Sie sagte: »Mein Gedanke wird Ihnen vielleicht verrückt erscheinen, Herr Clement, aber ich glaube, dass Ihre Freundin nicht mehr in Wien ist.«
    »Warum?« fragte ich, verblüfft darüber, dass sie auf die gleiche Idee gekommen war.
    »Weil es hier zu gefährlich geworden ist. Darvulia muss gemerkt haben, dass sich seit dem siebzehnten Jahrhundert einiges verändert hat. Es ist nicht mehr so leicht zu morden und die Sache zu vertuschen.«
    »Ja«, stimmte ich bedächtig zu. »Ihre Theorie hat etwas für sich. Es spricht viel dafür: keine Leichen, keine Schreie, sie ist wie vom Erdboden verschwunden. Wenn ich nur wüsste, wo ich sie suchen sollte. Wenn sie Wien verlassen hat, ist die Suche überhaupt hoffnungslos geworden.«
    »Vielleicht nicht so hoffnungslos, wie Sie glauben. Wohin würden Sie gehen an ihrer Stelle?«
    »In irgendein kleines Nest, wo die hektische Betriebsamkeit der Umwelt noch nicht so stark herrscht, und wo es einfacher ist, eine Leiche beiseite zu schaffen.«
    »Und wo die Leute noch ein wenig abergläubischer sind, so dass ihnen die Furcht leicht den Mund verschließt«, unterbrach sie mich. »Es ist nur eine verrückte Vermutung, aber können sie nicht nach Csejthe zurückgekehrt sein, auf das alte Schloss der Bathorys?«
    Ich schwieg nachdenklich. »Warum scheint Ihnen das wahrscheinlich?«
    »Weil ich glaube, dass die Dämonen dort am stärksten sind, wo sie als Lebende gewirkt haben. Erscheint es Ihnen nicht seltsam, dass Darvulia ein drittes Mal in den Gewölben blieb, obwohl sie damit rechnen musste, dass Sie wiederkamen, nachdem Sie ihr Geheimnis entdeckt hatten?«
    »Das mag auch daran liegen, dass sich Ornella direkt im Haus befand«, wandte ich ein.
    »Nein, das glaube ich nicht«, widersprach sie betont. »Es gab nur Ihre Spuren aus meinem Keller in den alten Gang. Ihre Freundin muss die Gewölbe irgendwo anders betreten haben, nicht in meinem Haus. Herr Clement, je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass nur dort unten Darvulia genügend Macht über das Mädchen hatte. Nur dort – und in Csejthe.«
    »Ich kann mir nicht denken, dass das Schloss noch existiert«, erwiderte ich zögernd, aber ich spürte, dass mich ihr Gedanke angesteckt hatte.
    »Versuchen Sie, es herauszufinden«, schlug sie vor.
    »Ja, Madame«, stimmte ich nach einem Augenblick zu, »das werde ich.«
    Es war nicht leicht. Die Ämter hatten fast alle bereits

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