020 - Im Todesgriff der Schreckensmumie
verhallten hinter ein paar
Nebelfetzen. Wie ein Schatten tauchte er unter.
Dann herrschte wieder Stille.
Larry und Iwan sahen sich an.
Der Vorfall kam ihnen vor wie ein Spuk. Nichts mehr wies darauf hin, was
sich eben noch ereignet hatte.
»Wollen wir ihm nachgehen?«, fragte der Russe.
»Dazu dürfte es zu spät sein. Verfolge mal jemand bei dieser Milchsuppe!«
Eine mysteriöse Sache, dachte Larry und ging auf den Bürgersteig, hielt den
Blick gesenkt und wurde auf den blinkenden Gegenstand aufmerksam, der in der
Rinne lag. Er hob ihn auf. Das Gebilde war so groß wie ein kleiner Finger, auch
kaum dicker und hatte die Farbe puren Goldes. Es kam Larry so vor, als bestünde
er auch daraus. »Merkwürdig! Ich habe das Gefühl, dass wir über kurz oder lang
doch noch auf irgendeine Weise von unserer seltsamen Begegnung hören werden.«
Er zeigte seinem russischen Freund den Gegenstand. Es war eine kleine Skulptur.
Eine nackte Frau, sämtliche Körperteile anatomisch richtig ausgearbeitet.
Das winzige Gesicht zeigte genau die feinen, geschwungenen Lippen, die edle
Nase, selbst der Ausdruck der Augen war genau getroffen. Es war etwas in dem
Blick dieser kleinen Augen, das Larry nicht definieren konnte, was ihn aber
eigenartig berührte. Das Ungeheuerlichste aber waren die Arme.
Die Skulptur hatte derer vier: zwei Arme, die dicht an den Körper angelegt,
und zwei, die leicht gespreizt waren.
●
Obwohl er die nötige Bettschwere hatte, konnte er nicht einschlafen. Der
seltsame Zwischenfall beschäftigte ihn, und er wusste, dass es Iwan in diesen
Minuten nicht anders ergehen würde.
Larry nahm noch einmal die Skulptur in die Hand, die auf dem Nachttisch
lag.
Sie musste dem Fremden im Trenchcoat aus der Aktentasche oder aus der
Manteltasche gerutscht sein. Es war eine seltsame Figur. Dem Gesichtsschnitt
und der Haartracht nach zu urteilen, stammte die Skulptur aus Ägypten. X-RAY-3
stellte sie wieder weg und legte sich auf die Seite.
Er döste vor sich hin, warf sich unruhig hin und her und schreckte
zusammen, als plötzlich das Telefon klingelte. Im Halbschlaf griff er danach,
wurde jedoch sofort hellwach, als er die Stimme am anderen Ende erkannte –
X-RAY-1.
»Ich erwarte Sie umgehend in Ihrem Büro, X-RAY-3. Es ist dringend.«
Es knackte in der Leitung. Stille!
Larry legte den Hörer auf und sah auf die Uhr. Wenige Minuten nach sieben.
Er sprang aus dem Bett und machte sich rasch fertig. Auf das Frühstück
verzichtete er, aber die goldene Skulptur steckte er ein. Es war vielleicht
angebracht, dem Chef einen knappen Bericht über die Vorfälle des letzten Abends
zu geben.
Der Lift brachte ihn in die Tiefgarage unter dem Hochhaus. Dort stand in
einer der Boxen sein weißer Mercedes 280 SE. Larry Brent hatte eine Schwäche
für deutsche Wagen.
Die Fahrt zum Central Park nahm nur wenige Minuten in Anspruch. Er parkte
auf dem Platz vor dem berühmten Tanz- und Speiserestaurant Tavern of the Green. Ungesehen erreichte er den Gang, in dem die
Büros der Agenten und der Mitarbeiter lagen und beeilte sich, seines zu
erreichen.
Auf dem Flur traf er Iwan.
Dem Russen war die Eile, in der er aufgebrochen war, anzusehen. Hemd und
Jackett waren nicht vollends zugeknöpft. »Towarischtsch, ich dachte, unser Chef
hätte nur mich aus den Federn gejagt. Offenbar hat er auf uns beide ein
Attentat vor, wie? Ob ihm zu Ohren gekommen ist, dass wir letzte Nacht etwas zu
ausgiebig gezecht haben?«
»Es gibt bei den alten Griechen ein Sprichwort, Brüderchen. Bedenke: Tust du nur, was dir Genuss bringt,
dass stets die Buße folgt, die dir Verdruss bringt .«
Iwan grinste und drückte die Tür zu seinem Büro auf. Larry Brent ging vier
Türen weiter und betrat seinen Raum. Auf dem Schreibtisch lag ein
Plastikhefter, mit einem Siegel versehen. Larry setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
In dem Augenblick summte die Wechselsprechanlage.
X-RAY-1 wünschte ihm einen guten Morgen. »Ich hoffe, Sie haben gut
geschlafen?«
»Danke, Sir! Es geht.«
»Ich weiß, dass meine Agenten überlastet sind. Es kommt mehr als einmal
vor, dass während eines Einsatzes tagelang niemand von Ihnen ins Bett kommt.
Aber während eines Aufenthalts in New York, der letztlich Ihrer Erholung dienen
sollte, müsste es doch möglich sein, ausgeruht zum Dienst zu erscheinen.«
Larry lächelte müde. »New York ist eine reizvolle Stadt. Es gibt hier viel
Abwechslung und ...«
»Dann ist Ihnen Ihr Dienst also langweilig, trocken,
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