0200 - Ich stieß das Tor zur Hölle auf
solche Experimente oft unterbrochen, und sie spielte auch diesmal mit dem Gedanken einer Unterbrechung, dann aber dachte sie daran, was alles auf dem Spiel stand.
Sie erinnerte sich an die schrecklichen Voraussagen des Nostradamus, die in einigen Jahren eintreffen würden, und sie wollte darüber mehr in Erfahrung bringen. Aber setzte sie damit nicht das Leben des Mediums aufs Spiel? Würden die anderen Kräfte so stark sein und das Leben, Lucilles Leben zerstören? Es war die Frage, die Tanith quälte. Sie trieb ein Spiel mit dem Feuer. Ein Menschenleben war in Gefahr, wenn sie weitermachte. Dies hier war etwas anderes als die Erstellung eines Horoskops, und sie senkte den Blick, um in ihre Kugel zu schauen. Zeigte sich vielleicht dort ein Bild? Konnte sie möglicherweise aus der Kugel einiges herauslesen?
Das Glas gab keine Antwort. Auch im Innern der Kugel zeigte sich nichts, sie blieb stumm. Wenn sie die Hände von der Kugel wegnahm, dann war die Verbindung zwischen ihr, der Kugel und dem Medium gerissen, denn die geheimnisvollen Kräfte wirkten dann nicht mehr. Noch zögerte sie. Sie stand dicht vor der Schwelle zum Wissen. Tanith ahnte, dass der Geist des Mediums in Dimensionen eindrang, die nie eines Menschen Auge gesehen hatte. Da musste was geschehen.
»Tanith!« Es war ein leiser Schrei, den Lucille ausstieß, und die Wahrsagerin erschrak.
»Was hast du?«
»Verbindung, Tanith. Ich habe Verbindung. Wirklich. Ich sehe es wieder.«
Plötzlich war die Spannung zurückgekehrt.
»Was siehst du wieder, kleine Lucille?«
»Die Welt, die andere Welt! Meine Güte…«
Sie musste etwas Schreckliches sehen, das merkte Tanith sofort. Unruhe entstand, als sich das Medium nicht mehr halten konnte und sich von einer Seite auf die andere warf. Lucilles Gesicht war blass geworden, durchscheinend, und Tanith glaubte, sogar die Knochen unter der Haut erkennen zu können. Sollte sie jetzt abbrechen? Ja, sie musste es tun. Sie konnte dem Medium nicht noch mehr zumuten.
Tanith wollte ihre Hände von der Kugel lösen, als sie das Bild sah. Es war eine schreckliche Vision, und sie schwamm im Innern der geheimnisvollen Kugel wie in einem Meer. Noch nie in ihrem Leben hatte die Astrologin so etwas gesehen. Sie sah das Höllentor!
***
Wahnsinn! schrie es in mir. Das gibt es nicht! Das Kreuz muss doch reagieren! Das Wesen hätte die Kraft des Lichts spüren und zerplatzen müssen. Das war nicht geschehen. Nach wie vor befand es sich am Boden und hatte sogar das Maul aufgerissen, wobei es mir seine grässlichen Reißzähne zeigte. Sie würden zupacken sie packten zu! Ich war noch immer in Gedanken und dachte darüber nach, aus welchem Grunde mich das Kreuz im Stich gelassen hatte, deshalb reagierte ich nicht so schnell wie sonst. Gierige Zähne verhakten sich in meinem Hosenbein, zerrten daran und bissen sich durch.
Wütend und hasserfüllt drosch ich mit der rechten Hand zu. Ich hielt darin mein Kreuz und hämmerte den geweihten Talisman in die weiche Masse. Fast verschwand meine Hand darin, und ich hoffte noch darauf, dass mein Kreuz reagieren würde. Es blieb stumm. Stattdessen reagierte das dämonische Wesen. Er ließ meine Hose los und riss abermals sein Maul auf, um die Zähne mit einem schnellen Biss in meine Waden zu schlagen.
Diesmal allerdings reagierte ich richtig. Mit einem heftigen Satz sprang ich zurück, so dass mich die Zähne dieses dämonischen Widerlings verfehlten. Sie klackten aufeinander. Das Geräusch hörte sich an, als würden Knochen gegeneinander geschlagen.
Ich holte tief Luft. Mein Blick zuckte von einer Seite zur anderen. Da stand der Bentley! In seinem Kofferraum lag mein Einsatzkoffer. An ihn konnte ich nicht heran, denn das Schleimwesen griff erneut an. Und diesmal hatte es sich etwas Neues einfallen lassen. Bevor ich mich versah, wuchtete es seinen runden Körper in die Höhe. Jetzt wirkte es auf mich wie eine gefährliche Kanonenkugel. In Gesichtshöhe blieb es für einen Moment stehen, dann erschien es riesengroß vor meinen Augen.
Bei normaler Konstitution und Reaktion wäre es keine Schwierigkeit gewesen, diesem dämonischen Ball auszuweichen. Ein Sprung zur Seite hätte genügt. Aber ich war durch den gemeinen Schlag gegen die Stirn zu sehr gehandikapt, und meine Reaktionszeit war doppelt so lang wie normal. Als Schutz riss ich noch die Arme in die Höhe, dann warf ich mich zu Boden und spürte im Fall den Schmerz an meinem rechten Handgelenk, wo mich die verdammten Zähne
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