0201 - Im Zentrum des Schreckens
noch einen Blick zu. Ihr Gesicht zeigte bereits die Qualen an, die sie spüren würde. Langsam wurde mir der Sinn dieser teuflischen Methode klar. Die Bestraften wurden in diese Flüssigkeit getaucht, ein ewiges, schreckliches Wechselbad, und sie hatten nie mehr eine Chance, dieser Hölle zu entrinnen.
Aber hatte ich eine? Das war wirklich die große Frage. Wenn ich ehrlich gegen mich selbst war, wohl kaum. Nein, die anderen würden mir keine lassen. Dafür hatten schon Asmodis und seine Tochter gesorgt. Was die beiden wohl machten? Und wie würde es den Freunden ergehen?
Hatte Costello, der sicherlich mein Kreuz in den Händen hielt, es bereits an Dr. Tod weitergereicht?
Ganz bestimmt, und jetzt musste sich Asmodina vorsehen, auch wenn sie den Nagel besaß.
Ich schaute wieder nach unten und gleichzeitig nach vorn. Die hängenden Gestalten waren bereits bis über die Knie eingesunken. Nichts würde sie noch retten. Die satanischen Wechselbäder wurden weitergeführt bis in alle Ewigkeiten. Ich war so mit meinen Gedanken beschäftigt, dass ich die Stimme erst für eine Halluzination hielt.
Dann aber horchte ich. Wer rief mich da? Plötzlich wusste ich es. Nein, das war keine Stimme, die mich da rief, keine echte jedenfalls. Es waren Gedanken, tastende Signale, die in meinem Kopf ihren Widerhall fanden. Ich hörte einen Namen.
»John Sinclair!«
Und da wusste ich Bescheid. Es war Karas Stimme, die meinen Namen ausgesprochen hatte.
***
Der Kelch des Feuers! Jetzt war zu sehen, aus welchem Grunde er diesen Namen trug. Als der Kontakt zwischen ihm, der Kugel und Tanith hergestellt worden war, da begann er zu glühen. Nicht nur die Kugel strahlte auf, sondern auch der Kelch.
Er verbreitete einen roten und dennoch gleißenden Schein, der nicht nur die Menschen blendete, sondern auch das gesamte Zimmer einhüllte.
»Ich habe Kontakt«, hauchte Tanith. »Himmel, ich habe Kontakt mit ihm!«
»Mit John Sinclair?« fragte Suko.
»Nein, mit dem Land, wo er sich befindet. Ich spüre es genau, er ist in der Nähe, aber auch gleichzeitig so weit weg, dass ich seine Gedanken nicht fühlen kann. Aber ich muss da sein!«
»Machen Sie um Himmels willen weiter!« flüsterte Suko. »Sie dürfen nicht schwach werden, auf keinen Fall.«
Die Astrologin schüttelte den Kopf. Sie gab sich wirklich Mühe und konzentrierte sich auf die vor ihr liegende Aufgabe. Und die war hart genug. Sie sollte mit einem im Höllenreich Verschollenen Kontakt aufnehmen. Würden ihre und die Kraft des Kelches überhaupt reichen? Ihre Hände rutschten seitlich an der Kugel ab, so dass sie jetzt genau auf die Kugel schauen konnte und hinein! Intensiv dachte sie an den Geisterjäger. Der Name John Sinclair hämmerte in ihren Gedanken. Sie rief ihn mit all der Kraft, zu der sie fähig war. Es war eine ungewöhnliche geistige Anstrengung. Kelch, Kugel und die Astrologin schienen eine Einheit zu bilden.
Sinclair!
So formulierte Tanith den Namen in Gedanken. Wenn er diesen Ruf nicht hörte, dann konnte sie nicht mehr, denn er hatte mehr einem Verzweiflungsschrei geglichen. Da war etwas! In der Kugel. Sie sah genau, wie die Schlieren wanderten und sich zur Seite bewegten. Sogar das Wabenmuster verzerrte nichts mehr, für Sekunden hatte Tanith einen freien Blick.
Sie sah ihn. John Sinclair! Er befand sich in einer fremden, kaum vorstellbaren Welt. Und er saß auf irgendeinem Gerüst, das Tanith jedoch nicht genau erkennen konnte. Gut erging es ihm nicht, denn die Umgebung um ihn herum atmete das reine Grauen aus. Tief holte Tanith Luft. »Ich ich sehe ihn«, flüsterte sie erstickt.
»Er lebt, er ist da, in einer anderen Welt. Der Kelch hat reagiert. Da, seht…«
Auch die anderen beugten sich über die Kugel. Ihre Gesichter waren starr, in den Augen fanden sich Hoffnung, Angst und Neugierde wieder. Kara, Myxin, Suko, Shao sie beugten sich über die kleine Kugel. Jeder wollte einen Blick erhaschen, John Sinclair sehen und…
Mit einem Schrei auf den Lippen fuhr Tanith plötzlich in die Höhe. Shao hatte zu nahe bei ihr gestanden, sie erhielt einen Ellbogenstoß in die Rippen und taumelte ein paar Schritten nach hinten.
Die Astrologin blieb für einen Moment starr stehen, dann sank sie erschöpft auf ihren Stuhl. Die anderen schauten noch in die Kugel. Das Bild war verloschen. Die Kugel sah aus wie immer. Leer… Langsam richteten sich die Freunde auf.
»Hast du ihn gesehen?« fragte Myxin und schaute Kara dabei an.
»Nein.«
»Aber ich«, sagte
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