0202 - Das Halsband des Todes
Haustelefon gab es anscheinend nicht.
Der glatzköpfige Mann mit den melancholischen Augen steckte seinen Zeigefinger zwischen die Seiten, bevor er das Buch zuklappte. Dann rief er etwas mit schriller Stimme, ohne dass ich ein Wort verstehen konnte.
Ein vielleicht vierzehnjähriger Junge, der eine rote Pagenhose, ein grünes Sporthemd und eine rote, zerknautschte Mütze trug, kam angesaust und erhielt einen Befehl, den ich wieder nicht verstand. Ich nahm an, dass die beiden Armenisch sprachen.
Der Bengel machte kehrt und rannte die Treppe hinauf.
Ich stand da und fühlte mich mehr als deprimiert. Diese Umgebung war ja auch geeignet, einem die Laune restlos zu verderben.
Es roch muffig, nach dem schlechten Tabak des Glatzkopfes und einigen Dingen, die ich mit der Nase nicht genauer analysieren konnte.
Um mir die Zeit des Wartens zu vertreiben, holte ich ein Päckchen Luckies aus der Tasche und brannte mir eine davon an. Es war so still, als ob das ganze Haus leer sei. Nur von Zeit zu Zeit knisterte es leise von der Stelle her, wo die jämmerliche Palme stand.
Dann plötzlich fuhr ich herum, und der Mann am Tisch sprang so jäh auf die Beine, dass der Stuhl umflog und gegen die Wand schlug.
»Mein Gott. Was war das?«, murmelte ich.
Immer noch zitterte das Echo eines Schreies, eines irrsinnigen Schreies in der Luft.
Der Schrei war von einem oberen Stockwerk gekommen, und ich wusste sofort, dass nur der kleine Junge ihn ausgestoßen haben konnte.
Jetzt schrie er nochmals, halb erstickt, aber schrill.
Dann vernahmen wir das Klappern eiliger Schritte auf der Treppe, ein Poltern, und der Kleine kam sich überschlagend, die Treppe heruntergrollt.
Ich fürchtete schon, er habe sich das Genick gebrochen, aber er blickte mich aus großen Augen an, in denen das Entsetzen geschrieben stand, und klammerte sich an meinen Arm.
Der Orientale war herübergerannt und überschüttete den Jungen mit Fragen, ohne zu begreifen, dass dieser gar nicht in der Lage war, sie zu beantworten.
Ich lief hinauf, so schnell ich konnte.
Im ersten Stock stand eine Tür offen. Das Zimmer war noch ärmlicher als die Empfangshalle. Es gab nur ein eisernes Bett, einen Schrank, einen Tisch und einen Stuhl.
Dann sah ich das, was den kleinen Boy in Panik versetzt hatte.
Unter dem Bett lag in einer Blutlache ein Mann.
Man brauchte kein Arzt zu sein, um zu sehen, dass er tot war. Jemand hatte ihm ein Messer zwischen die Rippen gestoßen, und es dort stecken lassen.
Ich hielt mich nicht lange auf, sondern zog den Schlüssel, der innen steckte ab und versperrte die Tür von außen.
Dann ging ich hinunter.
Die Halle war leer.
Sowohl der Glatzkopf als auch der Junge war heimlich, still und leise verschwunden. Ich konnte sie verstehen.
Wenn in dieser Gegend ein Mord geschah, so verdrückte sich jeder. Gleichgültig, ob er ein reines Gewissen hatte oder nicht.
Ich ging Phil entgegen und unterrichtete ihn mit ein paar Worten.
Dann hängte ich mich an das Telefon, einen altmodischen Wandapparat, und benachrichtigte zuerst die Mordkommission der Stadtpolizei und dann ein paar von unseren Leuten.
Sie kamen gleichzeitig an, und im Nu wimmelte das Haus von Menschen.
Von den fünfundzwanzig Zimmern waren dreiundzwanzig vermietet, aber nur drei Gäste waren zu Hause. Nämlich ein Pärchen, das angab, verheiratet zu sein, und ein einzelner Mann der sein Zimmer als Lagerraum für alle möglichen Bluffartikel benutzte, die er ahnungslosen Hausfrauen an der Korridortür andrehte.
Der Tote war zweifellos der Privatdetektiv Bert Parsimon.
Er trug eine Brieftasche mit seiner Lizenz und einem Betrag von siebenundsiebzig Dollar bei sich.
Trotz aller Mühe, die wir uns gaben, wurden weder Fingerspuren noch irgendein Anhaltspunkt gefunden, der uns einen Hinweis auf den Mörder oder sein Motiv hätte geben können.
Der Tod war ungefähr um zwei Uhr, also eine Stunde nach unserem Telefongespräch, eingetreten. Ich war überzeugt, dass dieses Telefongespräch die Veranlassung zu dem Mord gewesen war.
Wir waren belauscht worden, als wir telefonierten.
Endlich wagte sich auch der orientalische Glatzkopf wieder herein. Zitternd und bebend erklärte er, dass er der .Besitzer des Ladens sei. Seine Frau spielte das Zimmermädchen, und der Junge war sein Sohn. Es war also ein Familienu nternehmen.
Parsimon wohnte seit vierzehn Tagen bei ihm, war die erste Woche die Miete schuldig geblieben und hatte dann plötzlich mehrere Mieten im Voraus bezahlt.
Das
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