0202 - Das Halsband des Todes
lugten hinter dem mächtigen Schreibtisch hervor. Und es gehörte nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass hinter dem Schreibtisch ein Mann auf dem Rücken lag.
Wir sahen uns an. Wieder hatte ich das unangenehme Kribbeln im Genick, wie es wohl ein Hund spürt, wenn sich ihm die Nackenhaare sträuben.
»Es sieht so aus, als ob das ein Job für meinen Kollegen Crosswing ist«, murmelte Evans und machte widerwillig die paar Schritte, die uns noch vom Schreibtisch trennten.
Ein Blick genügte. Mr. Timothy How war tot. Seine Augen waren glanzlos und starr.
Ich sah nach der schweren Panzertür, die in die Wand eingelassen war. Sie stand offen, ein Schlüsselbund baumelte am Schloss. Im Innern des Tresors waren ein paar Schubladen aufgezogen. Die Situation konnte nicht eindeutiger sein.
Während Evans den Telefonhörer von der Gabel nahm und die Mordkommission anrief, beugte ich mich zu dem Toten herab.
Sämtliche Taschen des Anzuges waren umgestülpt worden. An der Schläfe des Toten sah ich die Stelle, die - wie es im Polizeijargon so schön heißt - mit einem stumpfen Gegenstand in Berührung gekommen war. Timothy How konnte noch nicht lange tot sein, denn die Leichenstarre war noch nicht eingetreten. Aber das konnte nur ein sehr vager Anhaltspunkt sein, denn erst fünf bis sechs Stunden nach dem Tod breitet sich die Starre aus. Der Schlag allein konnte How nicht getötet haben, und eine weitere Spur von Gewalt sah ich nicht.
Es würde eine Sache des Arztes sein, festzustellen, an was der Juwelier How gestorben war.
Neben dem Juwelier lag ein aufgeschraubter Füllfederhalter. Er war so zerbrochen, als habe jemand mit dem Fuß daraufgetreten. Die Tinte war auf den Teppich geflossen.
»Das ist aber merkwürdig«, hörte ich den Lieutenant sagen und blickte mich nach ihm um.
Er stand vor einem kleinen runden Tisch, um den drei bequeme Sessel gruppiert waren. Auf diesem Tisch lag ein Schachbrett, auf dem Figuren standen. Nach dem Stand der Figuren war die Partie ungefähr zur Hälfte gespielt worden.
»Können Sie sich vorstellen, dass How mit seinem Mörder Schach gespielt hat?«, meinte Evans kopfschüttelnd.
Ich blieb die Antwort schuldig, denn für unmöglich hielt ich es nicht, dass How mit seinem Mörder das Spiel der Könige versucht habe. Das Leben hat mir schon so viele unwahrscheinliche Dinge geboten, dass ich nichts mehr für unmöglich hielt.
Im Augenblick interessierten mich die Schachfiguren.
Ihre Stellung zeigte mir, dass beide Spieler sehr geschickt gewesen waren. Die Anordnung und die Art, wie jeder Bauer, Springer und Turm standen, wie Könige und Dame gedeckt waren, verrieten den Könner. Ich hatte eine Idee. Ich nahm mein Notizbuch heraus und skizzierte den Stand der Partie.
Wenn mein Freund Phil heute oder morgen zu mir kam so würden wir sehen, was daraus zu machen war. Wir würden die Partie zu Ende spielen.
Zehn Minuten später war die Mordkommission zur Stelle. Der Arzt, Doc Price, untersuchte den Toten kurz und meinte dann: »Der Tod ist vor ungefähr eineinhalb Stunden eingetreten. An dem Schlag gegen die Schläfe ist der Mann nicht gestorben. Er war höchstwahrscheinlich nicht einmal bewusstlos. Er starb an einem Herzschlag, der durch einen Schock, Angst oder eine plötzliche Aufregung ausgelöst wurde.«
»Und dann hat der Mörder, denn Mord bleibt es auf alle Fälle, sich der Schlüssel bemächtigt und den Kassenschrank ausgeräumt«, sagte Lieutenant Evans. Dabei warf er einen Blick auf die geöffneten Fächer.
»Der Dieb war entweder sehr wählerisch, oder er hatte keine Zeit«, meinte ich. »Sehen Sie, Lieutenant. Da liegen noch eine Menge Schmuckstücke, die es sicherlich wert gewesen wären, dass man sie mitnimmt.«
Vorläufig war es natürlich nicht möglich, nachzukontrollieren, was fehlte. Außerdem mussten wir warten, bis die Fingerabdruckexperten mit ihrer Arbeit fertig waren.
Es stellte sich sehr schnell heraus, dass die einzigen vorhandenen Fingerspuren von dem Toten herrührten. Entweder war er gezwungen worden, das, was der Mörder haben wollte, selbst aus dem Panzerschrank zu holen, oder der Täter hatte Handschuhe getragen. Das Letztere war wahrscheinlicher, besonders da sich auch auf dem Schreibtisch nur die Fingerabdrücke des Juweliers befanden.
Da die Sache mich ja eigentlich nichts anging, verdrückte ich mich und fuhr zum Office, wo ich mit Phil verabredet war. Ich erzählte ihm genau, was passiert war, und vergaß dabei auch nicht, das
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