0203 - Blizzard über New York
Der Tod durch Curare sieht aus wie eine Ohnmacht. Warum soll der verletzte Schnüffler nicht ohnmächtig werden? Bei Kopfverletzungen ist diese Möglichkeit immer drin.«
Mark hatte inzwischen die Arzttasche aufgetrieben. Er überzeugte sich, dass eine Injektionsspritze eingepackt war und stopfte noch allerlei Verbandmaterial in die Tasche. Dabei fragte er: »Warum beseitigen wir eigentlich den G-man Decker nicht auch noch?«
»Das wäre ziemlich schwierig durchzuführen«, brummte der Boss. »Außerdem ist es auch ganz unnötig, weil dieser Schnüffler im Gegensatz zu dem anderen uns überhaupt nicht richtig gesehen hat.«
Nun kratzte der Gangster-Chef an der Curare-Ampulle herum, aber die aufgedruckte Inhaltsbezeichnung ließ sich nicht entfernen. Das war schlecht. Wenn die G-men zufällig aufpassten, platzte der Schwindel.
Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er kramte in den verstreut liegenden Schachteln und zog alsbald eine Tetanus-Packung hervor. Sie enthielt eine Spritze, die außer der Injektionsnadel aus Kunststoff gefertigt war, und mit zwei Handgriffen gebrauchsfertig gemacht werden konnte, das Serum war schon eingefüllt, und die man nach der Injektion wegwarf.
In fliegender Eile entleerte der Gangster die Spritze und goss zwei Ampullen Curare ein. Währenddessen sagte Ken: »Boss, ich frage mich immer noch, wie Sie auf die glänzende Idee, den Telefonanruf des zweiten G-man hier zu erwarten, gekommen sind.«
»Nichts einfacher als das, wenn man ein wenig zu kombinieren versteht. Slim hatte doch dem G-man die Schaufel dermaßen auf den Schädel geschmettert, dass wenigstens eine ärztliche Untersuchung erforderlich ist. Wegen der widrigen Verkehrsverhältnisse kam hierfür nur der allernächste Doc infrage. Es war fast hundertprozentig sicher, dass unter diesen Umständen Dr. Brooks gerufen werden würde, da er bei den Notrufnummern beim Telefon in der Kneipe als nächster Arzt aufgeführt ist. So, jetzt habe ich die Tetanus-Spritze mit Curare präpariert. Sieht einwandfrei aus.«
Dr. Brooks begann sich wieder zu rühren.
»Was machen wir mit dem da?«, fragte Mark. »Immerhin hat er uns sehr genau gesehen!«
Der Gangster-Boss krümmte den Zeigefinger in einer sprechenden Geste.
Mark schob einen Schalldämpfer auf den Pistolenlauf, hob die Waffe, zielte sorgfältig…
Da schlug Dr. Brooks die Augen auf.
»Das… das können Sie doch nicht machen!«, stieß er in höchster Not hervor. »Bedenken Sie bitte, ich habe eine Frau und zwei kleine Kinder. Was sollen…«
»Spare dir deine dummen, sentimentalen Reden«, schnauzte Mark. »Das zieht bei uns sowieso nicht. Wir sind nicht von der Heilsarmee.«
Ein dumpfer Knall, ein greller Blitz, ein harter Schlag gegen die Stirn…
Dr. Brooks spürte schon nichts mehr.
Völlig ungerührt zog Mark dem Toten den Anzug aus, und Ken schlüpfte hinein, nachdem er seinen Overall abgelegt hatte. Dann steckte der falsche Doktor noch ein Stethoskop ein, zog Mantel und Hut des Arztes an, nahm die Arzttasche und alle drei Gangster verließen die Praxis, die wie jeder Ort, wo sie auftraten, zum Schauplatz eines brutalen Verbrechens geworden war.
***
»Der Doc lässt sich aber eine Menge Zeit«, meinte Phil. »Unter sofort verstehe ich etwas anderes!«
»Reg dich nicht auf, Phil. Der Mann muss doch durch den Schnee stapfen. Vielleicht ist Dr. Brooks ein schon älterer Herr, dessen Beine nicht mehr so flott arbeiten. Es kommt ja jetzt auf ein paar Minuten früher oder später nicht mehr an. Seit ich an dem Whisky genippt habe, geht es mir direkt wieder glänzend.«
»Wenn ich das schon höre«, knurrte Phil nun ernstlich böse. »Ich glaube, wenn du einmal im Grab liegst, dann hast du noch die Stirn zu behaupten, es geht dir ganz gut. Ich werde nochmals das Revier der City Police anrufen. Sie sollen einen Beamten herschicken. Man muss doch das Zimmer der Gangster gründlich durchsuchen. Ach, und die Mordkommission ist ja auch noch nicht gekommen. Das ist das reinste Gangsterwetter.«
Phil hatte sein Gespräch mit der Polizeiwache eben beendet, da trat ein Mann mit einer schwarzen Tasche in der Hand, offensichtlich Dr. Brooks, in das Golden Key. Also den Eindruck, dass er schlecht zu Fuß sei, machte er gar nicht. Ich schätzte ihn auf höchstens vierzig Jahre. Wer weiß, was ihn aufgehalten hatte. War ja auch gleichgültig. Hauptsache, ich wurde endlich verarztet.
Dr. Brooks stellte sich kurz vor, klopfte dann den Schnee vom Hut und Mantel und hängte beides an
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