0203 - Blizzard über New York
Hand nach dem Hörer aus, da knarrte hinter ihm die Tür, und eine schneidende Stimme befahl: »Keine Bewegung, Dr. Brooks, oder Sie sind eine Leiche!«
Entsetzt wandte der Arzt den Kopf zurück. Erschreckend deutlich blickte er in die Mündung einer Maschinenpistole. Dahinter sah er drei Männer. Sie trugen verschmutzte Overalls, einer hielt drei Schaufeln im Arm, und alle hatten gemeine Gesichter.
Während das Telefon ununterbrochen weiter klingelte, fragte der Arzt verstört: »Was… was wollen Sie eigentlich von mir? Wenn Sie Geld suchen, dann haben Sie Pech gehabt. Ich habe nicht mehr als zwanzig Dollar bei mir.«
Die finsteren Männer gaben keine Antwort. Einer von ihnen, ein untersetzter Kerl mit einem vorstehenden, kantigen Kinn, trat an den Schreibtisch, nahm den Hörer ab und legte rasch sein Taschentuch über die Sprechmuschel.
»Hier Dr. Brooks«, meldete er sich. Der Arzt konnte nicht verstehen, was am anderen Ende der Leitung gesprochen wurde. Er hörte nur diesen brutalen Menschen reden: »Ja, ist gut. Ich komme sofort. Bitte, wo ist das genau? Ach, richtig, das Restaurant Golden Key. Das kenne ich. Ist ja in derselben Straße und gar nicht weit von meiner Praxis. So long, Mr. Decker. Sie können sich drauf verlassen, ich komme umgehend. So, Mr. Cotton ist verletzt.«
Der Gangster legte auf und herrschte den Arzt mit funkelnden Augen an: »Übrigens, was ich noch sagen wollte: Wo ist Ihre Arzttasche? Her damit. Und dann brauche ich noch eine Dosis Morphium. Wo ist das Zeug?«
Dr. Brooks wusste sofort, dass diese Männer einen Mord geplant hatten. Niemals würde er seine Medikamente für diese teuflische Absicht herausgeben. Er hob bedauernd die Hände: »Tut mir ja unendlich leid, meine Herren, aber ich habe überhaupt kein Morphium und kein Evipan, falls Sie auch daran gedacht haben sollten, in meiner Privatpraxis. Schwere Fälle, für die ich Opiate benötige, behandele ich grundsätzlich nur im Hospital.«
»Sie wollen uns wohl für dumm verkaufen, wie?«, fauchte der Untersetzte. Gelassen fügte er hinzu: »Mark, lehre ihn reden!«
Wie ein Tier ging der Gangster mit dem Raubvogelgesicht auf den schmächtigen Arzt los. Spielend durchschlug der Gangster die hilflosen Abwehrversuche des Arztes. Dennoch lehrte Mark den Arzt keineswegs reden, wie der Ganoven-Boss es als sicher angenommen hatte.
Mark war nämlich gewohnt, robuste und harte Männer zu bearbeiten. Deshalb erzielten seine Schläge bei dem feingliedrigen Arzt eine Wirkung, die weit über das beabsichtigte Maß hinausgingen. Als der Gangster von ihm abließ, sackte Dr. Brooks bewusstlos zusammen.
»Mark, du verdammter Idiot!«, knirschte der Boss außer sich vor Zorn. »Hast du nicht gesehen, dass du nur ein Fliegengewicht vor dir hast? Wie soll ich ihn jetzt noch etwas fragen?«
»Kaltes Wasser bringt ihn schnell wieder zu sich«, stellte Ken sachlich fest. Aber es blieb bei der Feststellung, denn die Wasserleitung war eingefroren.
»Dann suchen wir eben!«, bellte der Gangster-Chef.
An der Schublade des Schreibtisches hing der Schlüsselbund des Arztes. Im Handumdrehen war der stählerne Medikamentenschrank aufgesperrt. Fieberhaft durchwühlte der Boss die Schachteln und sortiere die aus, in denen Injektions-Ampullen lagen. Eine Packung nach der anderen flog auf den Boden. Die gewünschten gefährlichen Narkotika schienen nicht dabei zu sein.
Plötzlich hielt der Gangster inne. Mit einem diabolischen Grinsen starrte er auf die Schachtel, die er in seinen Händen hielt.
»Donnerwetter«, rief er aus, »da habe ich ja noch was viel Besseres als Morphium oder Evipan entdeckt: Curare! Leute, stellt euch vor, Curare, das berüchtigte Pfeilgift der südamerikanischen Indianer, ein Gift, das in Sekundenschnelle tödliche Lähmungen hervorruft. Dagegen gibt’s überhaupt keine Rettung. Und der größte Vorteil: Es muss nicht in die Vene gespritzt werden. Ken, jetzt kannst du ja den Arzt Dr. Brooks spielen. Du brauchst die Injektionsnadel nur in den Gesäßoder Obermuskelarm zu stechen. Ich bin überzeugt, dass der Schlag Slims dem G-man zumindest eine Platzwunde zugefügt hat. Deshalb klingt es ganz einleuchtend, wenn du sagst, du müsstest ihm eine Tetanus-Spritze geben.«
Ken brachte einen Einwand vor: »Boss, ich glaube, Morphium wäre doch besser. Mit Curare, das ist eine gefährliche Sache. Es fällt doch auf, wenn der G-man sofort abkratzt. Und dann haben mich die Cops am Wickel.«
»Ach Unsinn, das fällt gar nicht auf.
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