021 - Aufbruch in die 'Neue Welt'
Geklimper wenigstens solange, bis ich damit fertig bin!« Schnaubend kehrte er zum Tisch zurück. »Ich werde Erkundigungen einziehen«, blaffte er. »Morgen hörst du von mir, Colomb…« Der Kapitaan wusste, dass er gewonnen hatte. »… und wenn du doch mit meinen Leuten und mit Hilfe meines Goldes in See stechen solltest…« Er fuhr herum und streckte seinen Arm nach Cosimus aus. »Dann will ich, dass du meinen gelehrten Neffen als Privatforscher mit auf die Reise nimmst!«
Tuman hielt das für eine alles andere als gute Idee. Aber er hütete sich, dem Stoffhändler das mitzuteilen. Sogar ein Fass Frekkeuscher-Scheiße würde er an Bord der »Santanna« nehmen, wenn Hugu Fernaduu seine Investition davon abhängig machte.
***
Sie liefen über Deck. Der Schwarze pries die Segel, die Dampfmaschine, den Rumpf und stellte ihn Seeleuten vor, die zufällig in der Nähe arbeiteten. Gesichter und Namen huschten an Matt vorbei - Clegg, Ruley, Kuki und so weiter. Eine andere Welt. Eine Welt, die er nicht freiwillig betreten hatte. Auch den blonden Muskelmann traf er - den Deutschen, oder Doyzländer, wie Raspun ihn nannte. Er hieß Jochim und Matt mochte ihn nicht.
Jeder seiner Schritte verursachte ein Rasseln und ein dumpfes Scharren. Ein Zuwachs des Geräuschpegels im Vergleich zu den letzten Tagen unter der Knute von Emrocs Sklaventreibern. Als Emrocs qualitätsgeprüftes Material begleitete ihn nur das Rasseln der Kette. Jetzt musste er sich zusätzlich noch an das Gewicht der schätzungsweise sechs Pfund schweren Eisenkugel gewöhnen, die sie an der Kette um seinen linken Knöchel befestigt hatten. Sie kullerte bei jedem Schritt über die Decksplanken.
Die Kette, an der sie hing, war nicht einmal zwei Ellen lang. Also nicht lang genug, um die Kugel zu packen, an die Brust oder an den Bauch zu drücken und das Weite zu suchen. Matt hatte es ausprobiert - wenn er die Kugel hochnahm, reichte ihm die Kette bis kurz über das Knie. In leicht gebückter Haltung wäre eine Flucht möglich gewesen. Vorausgesetzt alle Seeleute an Bord lägen im Tiefschlaf oder im Vollrausch. Dem war aber nicht so. Eine aus sechs Mann bestehende Wache patrouillierte immer auf dem Pier vor der Landungsbrücke.
Trotzdem drehten sich Matts Gedanken, nachdem die Wirkung des Obiuums nachgelassen hatte, um nichts anderes als um Flucht. Und damit um die schwere Kugel an seiner Fußkette. Und um den Schlüssel, mit dem man den Eisenring um seinen Knöchel öffnen konnte.
Der hing mit etwa siebenundzwanzig anderen Schlüsseln an einem Schlüsselbund. Und der Schlüsselbund hing am Gurt eines massigen Negers. Der Leibsklave des Kapitäns. Nicht nur ein gewichtiger, auch ein wichtiger Mann im Reiche Colombs. Das hatte Matt schnell herausgefunden. Und ein gutmütiger Mann dazu. Matt mochte ihn. Aber doch nicht so sehr, dass er ihn nicht niedergeschlagen hätte, um an den verdammten Schlüssel zu kommen.
Aber schlag mal einen Mann nieder, der einen halben Kopf größer ist als du und gut zweihundertvierzig Pfund Fleisch mit sich herum schleppt. Schlag ihn nieder vor den Augen von etwa dreißig angriffslustigen Seeleuten, von denen - wie gesagt - sechs ständig schwerbewaffnet auf dem Pier vor dem Schiff patrouillierten. Nicht dran zu denken. Raspun hieß der schwarze Hüne. Er zeigte Matt das Schiff.
Ein merkwürdiges Schiff. Der Rumpf sah aus wie ein Schildkrötenpanzer. Einer der beiden Rümpfe, um genau zu sein, denn das Schiff hatte zwei. Es war ein Katamaran. Der größere Rumpf also ähnelte einem klobigen schweren Schildkrötenpanzer. Keine glatte Schiffswand, sondern unzählige Vorsprünge, Wölbungen, Kanten.
Matt betastete das Material. Da gab es Holzplanken, selbstverständlich, doch noch häufiger stieß er auf Kunststoff teile - halbierte und gekürzte Rohrleitungen, Kotflügel und Kühlerhauben alter Autos, große Tankwände und Ölwannen aus einer leichten Teflonlegierung. Kurz über der Wasserlinie entdeckte er sogar einen Kranz von Truckreifen, die den ganzen Schiffsrumpf umgaben; Reifen aus Plastiflex, schätzte Matt.
Und auch Metall hatten die Baumeister des Schiffes in den Rumpf mit eingearbeitet, vermutlich ebenfalls Fundstücke aus den Müllhalden der unterge- gangenen Welt. Matt identifizierte die Verkleidung eines Düsentriebwerks und Teile eines Lüftungsschachtes. Der Steven bestand aus einer durchgehenden Magnesiumleiste, die aus einer großen Maschine zu stammen schien.
Der zweite, kleinere und viel schmalere Rumpf
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