0210 - Der Magier aus dem Drachenschloß
Leute, die weit über das Land nach Feinden und Chworchen Ausschau halten wollen, und zuweilen unser Herrscher erklimmen auch die letzten Stufen. Sülbiger tut’s, weil ihn sportlicher Ehrgeiz gepackt hat. Er will unbedingt einen Rekord aufstellen.«
»Im Treppensteigen?« wunderte sich Nicole.
»Im Trinken bestimmt nicht - den hat er schon aufgestellt«, versicherte Erlik. »Leute mit närrischen Ideen muß es geben, wir lassen ihm seinen Vogel. Demnächst werden die ganzen Treppen ohnehin überflüssig, wenn Gunnar vom Heldenfels erst einmal ein Modell seines Transmitters vorstellt.«
»Darf man fragen, was das sein soll? Eine neue Art Instantpudding?«
Vorwurfsvoll schüttelte Erlik den Kopf. »Es ist ein Apparat, mit dem man unter Umgehung der Wegstrecke von einem Ort zum anderen gelangt. Man klettert hier hinein und dort wieder hinaus. Seinen Berechnungen nach funktioniert’s, behauptete er seit zwei Jahren.«
Zamorra grinste. Ob der gute Gunnar wohl ein paar Science-Fiction-Romane zuviel gelesen hatte?
»Schön«, sagte er. »Da wir den Transmitter aber noch nicht haben, werden wir die Stufen wohl hinaufsteigen müssen. Auf geht’s.«
Sie verließen Erliks Gemächer, traten hinaus und stiegen die Treppe hinauf. Es war düster; nur hier und da an jedem zweiten Treppenabsatz ließ ein kleines Fenster ein wenig Licht herein. Zamorra sah großzügig über ein Heer von Spinnen hinweg, das in den Winkeln Netze spann. Nicole schmiegte sich erschauernd in seine starken Heldenarme. »Es wird wirklich Zeit, daß Gunnar seine Erfindung verwirklicht - oder daß hier mal gründlich und feucht aufgewischt wird«, murmelte sie.
Erlik folgte ihnen langsam. Er machte sich Gedanken anderer Art.
Diesmal warnte das Amulett Zamorra nicht.
Plötzlich sprang eine finstere Gestalt aus einer dunklen Nische hervor und warf sich mit einem röhrenden Aufschrei auf Nicole.
Weiße Vampirzähne blitzten im Dämmerlicht auf. Zamorra erhielt einen heftigen Stoß und taumelte rückwärts die Stufen hinunter. Fast hätte er Erlik mit sich gerissen. Doch der Helleber fing ihn auf, sich mit einer Hand am Geländer haltend.
Nicole schrie auf.
Zamorra sah, wie ein dunkler, wallender Mantel ihren Körper umschloß und sie im Griff des Unheimlichen zusammensank. Fassungslos starrte er nach oben. Seine Hand glitt zur Tasche, in der die Waffe steckte, aber dann wagte er nicht zu schießen. Nicole und der Vampir waren zu einem verwirrten Knäuel geworden, das er im Dämmerlicht nicht auseinander halten konnte.
Im nächsten Moment hetzte der Vampir, das Mädchen auf den Armen, mit geradezu unmenschlicher Geschwindigkeit treppauf davon…
Sein meckerndes Lachen schnitt schmerzend in Zamorras Ohren…
***
Wilhelm ballte die Fäuste. Er würde sich nicht unterkriegen lassen. Was immer auch der Zauberer beabsichtigte - der Fürst würde versuchen ihm einen gehörigen Strich durch die Rechnung zu machen.
Daß er jetzt zum Kleinen Riesen geworden war, durfte bei all dem keine Rolle spielen. Im Gegenteil - vielleicht ließ sich daraus sogar etwas machen.
Rain schlich also durch die Stadt… man mußte ihm eine Falle stellen können! Wilhelm versuchte, mit seiner neuen Fähigkeit den Zauberer zu wittern, aber es gelang ihm nicht. Wahrscheinlich befand Rain sich außerhalb seiner Reichweite, oder er war noch zu untrainiert. Wilhelm konnte nur eine dumpfe, bösartige Ausstrahlung feststellen, die von irgendwo her kam.
Der Schatten des Zauberers lastete über der Stadt.
»Gregor«, murmelte Wilhelm. Mit der Hilfe des Barons mußte es möglich sein, Rain aufzuspüren. Wilhelm beschloß, alle, die bisher zu Kleinen Riesen geworden waren, zusammenzurufen. Wenn sie alle beisammen waren und wußten, wo sich der Zauberer befand, konnten sie ihn gemeinsam angreifen und vielleicht besiegen.
»Und Zamorra«, sagte der Fürst leise. »Er muß es auch wissen. Sein Einsatz im Turm ist witzlos geworden, wenn Rain sich nicht mehr dort befindet. Gregor wird Kontakt finden und ihn zurückrufen können.«
Wilhelm verließ das Atriumhaus urçd eilte davon, um dem Baron die nötigen Anweisungen zu geben.
***
Rain verharrte und lauschte. Da waren Gestalten im Turm… Rain begann ihre Gedanken zu erfassen. Sie beschäftigten sich mit ihm. Aha, dachte der Zauberer. Das also sind meine Gegner.
Er war ein Schatten an der Wand, hielt sich im Dunklen. Er fühlte drei Gegner und ein Wesen, das er nicht richtig einordnen konnte. Da war der magische Keim, aber etwas
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