0210 - Der Magier aus dem Drachenschloß
für einen Teil Rains?
Das mußte es sein! Nur - wie sollte sie es ihm begreiflich machen, daß dem nicht so war?
Endlich hatte sie die Arme so, wie sie sie haben wollte, und überkreuzte sie, formte jenes Zeichen, vor dem noch jeder Vampir zurückgeschreckt war.
Irgendwie mußte der Vampir das angedeutete Kreuzsymbol trotz der Dunkelheit erkannt haben.
Mit einem wilden Aufschrei fuhr er zurück. Die Finger schwanden von Nicoles Hals, die Augen bewegten sich weit nach hinten. Der Vampir prallte gegen irgend etwas, das Nicole nicht sehen konnte. Glas splitterte, zerschellte am Boden. Und immer noch hallte ihr das Brüllen des Vampirs in den Ohren.
Hatte das Brüllen ihre Nervenlähmung beseitigt?
Von einem Moment zum anderen war sie wieder voll beweglich, ließ sich zur dem Vampir abgewandten Seite von dem Tisch, oder was immer es auch sein mochte, gleiten und kam auf dem Boden auf.
»Verrat!« kreischte der Vampir. »Kein Dämon vermag das Kreuzzeichen zu schlagen! Wer bist du, Bestie?«
Fast hätte sie sich über diese Bezeichnung amüsiert. Aber immer noch sah sie in dem Vampir eine Gefahr. Sie kam wieder auf die Beine und wirbelte einmal um ihre Achse. Wo war die Tür? Sie mußte diesen Raum sofort verlassen, in welchem ihr Gegner wie eine Katze sehen konnte, sie aber blind war.
Im gleichen Moment flog die Tür auf.
Ein Spalt grauer Helligkeit drang in die finstere Kammer, und in diesem Grau standen zwei Gestalten: Zamorra und Erlik, der versuchte, den Parapsychologen zurückzureißen.
»Nicht!« schrie er. »Seid Ihr verrückt geworden? Laßt das!«
»Aaaah!« schrie der Vampir.
Nicole sah einen weißlichen Blitz durch das Dunkel zucken. Der Schrei des Vampirs wurde zu verhaltenem Röcheln und Stöhnen.
»Hoffentlich«, sagte Erlik von Twerne dumpf in die eintretende Stille, »seid Ihr jetzt nicht zum Mörder geworden, Zamorra…«
***
Erlik hatte die Tür jetzt gänzlich aufgestoßen, so daß halbwegs ausreichende Helligkeit in den Raum fiel. Zamorra nahm Nicole in die Arme. »Ist dir auch nichts passiert?« fragte er. »Laß mal deinen Hals sehen.«
Nicole schüttelte energisch den Kopf.
»Alles in Ordnung, Chef«, sagte sie. »Er ist nicht zum Biß gekommen. Aber interessieren würde mich schon, mit wem er mich verwechselt hat. Ich glaube, er hielt mich für eine Helferin dieses Zauberers.«
Zamorra ließ sich nicht beirren und tastete Nicoles Hals nach Bißmalen ab. Als er nichts fühlte, atmete er erleichtert durch.
»Alles klar«, sagte er. »Ritter Erlik, Ihr wohnt mit allerlei seltsamen Wesen in einem Haus…«
»Seltsames Wesen - pah!« knurrte Erlik und zog und zerrte an dem Vampir, um ihn zum Aufstehen zu bewegen. »Erfreulicherweise lebt er noch.«
»Sehr erfreulicherweise«, sagte der Vampir. »Sagt, Fremdling, kündet Ihr Euer Kommen immer so ungestüm an? Womit habt ihr mich eigentlich beschossen, unkultivierter Barbar? Tja, Erlik - diese jungen Leute von heute haben keinen Anstand mehr. Fallen einfach über Unschuldige her und malträtieren sie… Komische Bekannte habt Ihr, das muß ich schon sagen.«
»Regt Euch nicht auf, Sir Henry«, brummte Erlik. »Er wußte es nicht anders. Darf ich bekanntmachen? Das sind Lord Zamorra und seine Gespielin Nicole, und hier haben wir Sir Henry Harpuloon, unseren zahmen Hausvampir.«
»Angenehm«, murmelte Zamorra verblüfft.
»Gar nicht angenehm!« keifte der Vampir. »Ihr hättet mich fast umgebracht.«
»Und Ihr wolltet Nicole an den Hals!« fuhr Zamorra ihn an und wandte sich Erlik zu. »Was soll das überhaupt? Er ist ein Vampir!«
»Aber was für einer«, grinste Erlik. »Ein ganz besonderes Prachtexemplar. Eines Tages tauchte er auf, brabbelte düstere Drohungen und Prophezeiungen, und als wir ihn fingen und ihm den Pfahl auf die Brust setzten, klagte er uns sein Leid und schwor dem Bösen ab. Seither füttern wir ihn mit Rinderblut, und er ist zufrieden und ein ruhiger, wenn auch manchmal absonderlicher Hausgenosse, der uns schon so manchen guten Dienst erwiesen hat.«
»Und wenn er auf die Idee kommt, mal wieder Menschenblut zu kosten, so wie er es bei mir fast getan hätte?« sagte Nicole. Sie betrachtete den Vampir mit äußerstem Unbehagen. Immerhin war er, wie er da im Zwielicht stand, eine furchterregende Erscheinung.
»Ihr kennt Sir Henry schlecht«, sagte Erlik. »Er hat dem Bösen abgeschworen, und dabei ist es geblieben. Deutliches Zeichen dafür ist, daß er bei Tageslicht wach sein kann.«
In diesem Moment
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