0210 - Der Magier aus dem Drachenschloß
anderen.
»Wollt Ihr wirklich erst ein Saufgelage veranstalten?« fragte Zamorra. »Fühlt Ihr nicht das Unheimliche, das über dem Turm lastet?«
»Saufgelage - pah!« schnaubte der Helleber. »Von diesem kleinen Aufmunterungsschluck fällt niemand aus den Stiefeln. Wartet, Lady Nicole, ich glaube, ich habe etwas für Euch.«
Nicole griff nach einem der Weingläser und drückte es Zamorra in die Hand. »Vielleicht solltest du wirklich etwas davon trinken«, sagte sie. »Ein guter Wein, in Maßen genossen, belebt die Lebensgeister, heißt es. Und du siehst wirklich ein wenig lädiert aus.«
Zamorra nickte resignierend und nippte an dem Trank. Währenddessen tauchte Erlik aus einem Nebenraum auf, in der Hand eine Art Fellbolero. »Zieht das an, Lady, sonst könnte es geschehen, daß ich im entscheidenden Moment Euch anschaue statt den Zauberer.«
Nicole beugte sich leicht vor und küßte ihn flüchtig auf die Wange, dann kämpfte sie sich in das offene Jäckchen hinein. »Bei Crom«, murmelte Erlik, »jetzt sieht sie ja noch gefährlicher aus! Darf denn das wahr sein?«
Er schnallte sich den breiten Gürtel mit dem Schwert um. »Seid Ihr gut gerüstet?« erkundigte er sich.
Zamorras Hand fuhr zur Tasche, in der noch immer die Strahlpistole steckte, die er aus dem Tresor in seinem Arbeitszimmer genommen hatte. Die Waffe mit ihrer verheerenden Wirkung funktionierte allerdings nur in unmittelbarer Nähe des Amuletts, weil sie von diesem die Energie bezog.
»Ich denke, es reicht«, sagte er. »Zudem glaube ich kaum, daß wir den Zauberer mit blanken Waffen besiegen können. Fühlt Ihr Euch nicht unbehaglich, Erlik?«
Der Stadthalter des Fürsten sah aus dem Fenster.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Da ist irgend etwas, das stört. Ich kann es fühlen, aber ich weiß nicht, woher es kommt.«
»Der Zauberer«, sagte Zamorra. »Von ihm geht es aus und erfüllt den ganzen Turm. Vielleicht ist es ein Merkmal seines Besitzanspruchs. Ich werde versuchen festzustellen, wo er sich aufhält.«
»Wir hätten einen der Kleinen Riesen mitnehmen sollen«, brummte Erlik. »Der würde den Burschen schon aufspüren.«
Zamorra versuchte sich wieder auf das Amulett zu konzentrieren und es für seine Suche einzusetzen. Aber diesmal gelang es ihm nicht, Merlins Stern zu wecken. Enttäuschung breitete sich in ihm aus, und Sorge.
Versagte das Amulett, oder war er selbst schon zu geschwächt, es zu erreichen? Er hoffte, daß letzteres der Fall war. Denn dann würde die silberne Zauberscheibe von selbst erwachen und eingreifen, wenn es erforderlich war.
Ganz wohl war ihm nicht dabei. Er fürchtete die ungeheure Stärke des Zauberers. Wieder fragte er sich, wer dieser Rain sein mochte. Ein einfacher Zauberer? Zamorra glaubte es nicht mehr. Rain war zu stark. Er mußte ein Dämon sein.
Die Wahrheit konnte der Meister des Übersinnlichen nicht im entferntesten ahnen…
***
Sir Henry benötigte einige Zeit, sich von dem überraschenden Sturz zu erholen. Mühsam zog er sich am Geländer wieder empor und lehnte sich dagegen. Seiner Schätzung nach mußte er von irgend einem Treppenabsatz aufgehalten worden sein.
»Man müßte etwas erfinden, was diese Treppe überflüssig macht«, knurrte er leise vor sich hin. »Dieser Gunnar erfindet doch laufend was… ich muß ihn mal fragen, wie weit er mit seinem Transmitter ist.«
Er lauschte wieder in sich hinein. Die bösartige Strahlung war nach wie vor vorhanden; hinzu kam der Schmerz von einigen blauen Flecken, die er sich zugezogen hatte.
»Warte, wenn ich dich kriege«, brummte er. »Nicht ungestraft stört man den Schlaf der Vampire.«
Er wischte sich über die Stirn. Im letzten Moment bemerkte er, daß er im Begriff war, das schützende Tuch vor seinen Augen zu verschieben, und rückte es hastig wieder zurecht.
Draußen war es möglicherweise hell.
»Immer diese lästigen Kleinigkeiten«, knurrte er und versuchte festzustellen, von wo die bösartige Strahlung am stärksten kam. Mehrmals drehte er sich im Kreis, konnte aber keine bestimmte Richtung feststellen.
»Jetzt fehlt nur noch, daß ich den ganzen Turm von den Zinnen bis zu den Verliesen durchsuchen muß«, meckerte er ungnädig vor sich hin. »Dieser elende Feigling hält sich vor mir versteckt, weil er eine ehrliche Auseinandersetzung scheut! Pah, die Jugend von heute! Verdorben bis in die Knochen!«
Er tastete sich weiter voran, diesmal vorsichtiger, weil er keinen zweiten Sturz riskieren wollte. Er wollte ganz unten
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