0213 - Colette und ihr Fallbeil
zu bremsen, wenn er einmal angriff.
»Du weißt Bescheid, Ofre!« zischte Bill Conolly. »Und wenn nicht, dann sage ich dir jetzt, daß ich deine Kanone in der Hand halte.«
Ofre ließ die Arme sinken. Trotz der Dunkelheit erkannte Bill, daß sein Gesicht um die Augen herum naß schimmerte. Es waren Tränen. Auch das Haar des Killers zeigte nicht mehr die glatte Frisur. Es war schmutzig und zerwühlt.
Ofre starrte in die Mündung, sein Gesicht verzog sich dabei, denn er wußte, daß er verloren hatte.
Die andere Gefahr, die viel schlimmer war als sein menschlicher Gegner, schien er vergessen zu haben.
Bill Conolly jedoch nicht. Er warf einen schnellen Blick nach rechts.
Dort stand sie noch immer.
Geisterhaft bleich sah sie aus. Ihr Gesicht schimmerte irgendwie gelblich, wie Bill es schon bei Zombies erlebt hatte, und ihm kam der Verdacht, es hier mit einem Zombie zu tun zu haben.
Und dann kam sie näher.
Bill Conolly bemerkte, wie auch Ofre seine Hände sinken ließ. Jetzt starrte er auf die bleiche Erscheinung der Unheimlichen.
Berührte sie überhaupt den Boden? Oder schwebte sie darüber? Es war nicht genau zu erkennen, und auch der Reporter hielt den Atem an. Die Frau wollte etwas von ihnen. Bill dachte wieder an das Schafott und an die Köpfe hinter ihm, die eine Hauswand schmückten.
Es war noch viel Platz auf der Wand…
Eine Gänsehaut strich über seinen Rücken. Er hörte Ofre unverständliches Zeug sprechen, auch ihm selbst war nicht eben wohl zumute. Bill schüttelte sich, als hätte jemand Wasser über ihn ausgegossen. Trotzdem riß er sich zusammen und sprach die Frau an.
»Wer bist du?«
Der Reporter hatte eigentlich nicht damit gerechnet, eine Antwort zu bekommen, deshalb war er überrascht, als die Erscheinung sagte: »Ich bin Manon Descartes.«
»Und was willst du?«
»Meine Rache!«
»An wen?«
Da bekam Bill keine Antwort, weil die Geisterfrau abdrehte und sich Ofre als Ziel nahm.
Der Killer saß auf der Erde. Seine Augen weiteten sich noch mehr, als er der Frau entgegenschaute, denn er wußte, daß sie es auf ihn abgesehen hatte.
Abwehrend hob er die Hände. Der Schock, sie mit Kugeln nicht verletzt oder getötet zu haben, saß noch tief in ihm, denn bisher hatte er sich immer auf seine Waffe verlassen können.
Und nun?
»Hol ihn!« zischte die Frau. »Hol ihn her!«
Ofre schüttelte den Kopf. »Wen?« keuchte er. »Wen soll ich holen?«
»Den anderen!«
Da wußte er Bescheid. Die Geisterfrau wollte nicht ihn, sondern seinen Chef.
Und Ofre nickte. Er war sich selbst der nächste, bewegte sich nach rechts und stützte den Arm auf, um sich langsam in die Höhe zu wuchten.
Bei diesen Vorgängen war der Reporter nur Zuschauer, und er hütete sich, etwas zu unternehmen, denn er kannte die Stärke der Manon Descartes nicht genau.
Ofre taumelte los. Er hatte einen Befehl bekommen. Bill war sich nicht sicher, ob er ihn auch befolgen würde, er konnte auch fliehen, doch das waren Gedanken, die Bill eigentlich nicht zu kümmern brauchten, er hatte genug mit sich selbst zu tun, denn er war mit der Frau allein.
Die schaute ihn an.
Bill wollte eine Frage stellen. Zweimal setzte er auch an, kein Laut drang über seine Lippen. Die ganze Szene kam ihm so unrealistisch und unheimlich vor, daß er schon fast an einen Film oder einen Traum glaubte.
Lächerlich wirkte auch die Waffe, die er in seiner rechten Hand hielt, wobei die Mündung allerdings zu Boden zeigte. Kugeln hätten bei der Frau nichts genützt.
Ofres Schritte waren längst verklungen, und Bill fragte sich zum wiederholten Male, ob er zurückkehren würde.
Dann wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt, denn neben Manon Descartes entstand aus dem Nichts ein grauenvolles Gebilde.
Schattenhaft sah Bill Conolly die Umrisse. Sie schienen in einer anderen Dimension gelauert zu haben und einem geistigen Befehl der Frau gefolgt zu sein, denn neben ihr bildete sich das, wovor sich auch der Reporter fürchtete.
Die Guillotine!
***
Da stand sie nun!
Bill Conolly konnte sie genau erkennen. Jede Einzelheit sah er. Das alte Holzgestell, den Block mit der Einkerbung, in die der Kopf gelegt wurde und darüber das scharfe Blatt des Fallbeils.
Daß die Guillotine erschienen war, konnte nur einen Grund haben.
Jemand sollte geköpft werden.
Bill schluckte. Seine Zunge fuhr über die rissigen Lippen. Stoßweise holte er Atem, wobei er die Hände zu Fäusten geballt hatte, machte er den Versuch und ging zwei Schritte zur Seite. Er wollte
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