022 - Jagt die Satansbrut
wieder in das Tuch, stand auf und ging unruhig im Zimmer auf und ab. Nach wenigen Minuten hielt ich es nicht mehr aus. Ich trat auf die Straße.
Die Luft flimmerte. Kaum jemand kam mir entgegen. Die Straßen waren menschenleer. Die Bewohner der Stadt hatten sich in die Häuser geflüchtet, um der drückenden Hitze zu entfliehen. Innerhalb weniger Augenblicke war mein Körper schweißgebadet.
Ich ging an der Kathedrale vorbei zum ehemaligen Judenviertel und überquerte die Plaza de la Juderia, die seit einiger Zeit Plaza del Barrio Nuevo hieß. Die meisten Häuser standen leer. Überall auf den Straßen lag Unrat, und es stank fürchterlich. Streunende Hunde kamen mir entgegen, die schwanzwedelnd vor mir stehenblieben.
Ich beitrat die Kirche Santa Maria la Bianca. Angenehme Kühle und Düsternis empfing mich. Der Geruch nach Weihrauch und brennenden Kerzen hing in der Luft. Es dauerte einige Augenblicke, bis sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Vor einem der Seitenaltäre knieten zwei alte Frauen, den Kopf gesenkt, die Hände gefaltet. Ihre Lippen bewegten sich, und gelegentlich bekreuzigten sie sich.
Meine Schritte hallten überlaut, als ich zwischen den Bankreihen auf den Hauptaltar zuging. Ich blieb stehen und wandte den Kopf. Außer den beiden Frauen war die Kirche menschenleer. Mein Blick fiel auf einen kleinen Altar. Ich betrat die Nische, blieb vor dem schmiedeisernen Gitter stehen, öffnete dann die Tür und huschte die Altarstufen hoch. Neben dem Altar bückte ich mich und holte den eingewickelten Drudenfuß heraus. Blitzschnell versteckte ich ihn unter dem Altar und verließ die Nische wieder.
Niemand hatte mich gesehen. Vor dem Hauptaltar kniete ich nieder und bekreuzigte mich, ehe ich die Kirche verließ und zu meinem Haus zurückkehrte.
»Ihr habt Besuch, Herr«, sagte Esteban, als ich das Haus betrat.
»Wer ist es?«
»Ein unheimlicher Mann.« Er senkte die Stimme. »Ich wollte ihn nicht einlassen, doch er schob mich einfach zur Seite, und ich war wie gelähmt, Herr. Ich bitte Euch, daß …«
Ich winkte ungeduldig ab und kniff die Augen zusammen. »Wie ist sein Name?«
»Vidal Campillo«, sagte Esteban mit bebender Stimme. Er blickte mir demutsvoll ins Gesicht und hatte sichtlich Angst, daß ich ihn ausschelten würde.
»Campillo?« Diesen Namen hatte ich nie zuvor gehört. »Hat er gesagt, was er von mir will?«
Esteban schüttelte den Kopf.
Brummend ging ich an ihm vorbei und öffnete eine Tür. Als ich in den Raum trat, erhob sich eine dürre Gestalt. Nie zuvor hatte ich einen so hochgewachsenen Mann gesehen. Seine Haut war ungewöhnlich blaß, seine Kleidung dunkel. Sein Haar war lang und unwahrscheinlich hell. Die Hände waren knöchern und feingliedrig.
Er verbeugte sich leicht. »Gestatten, daß ich mich vorstelle? Vidal Campillo.«
Ich kam näher und blieb vor ihm stehen. Sein Gesicht war ein bleiches Oval, in dem die schmalen Augen wie dunkle Steine glühten. Sein Blick war stechend und schien durch mich hindurchzugehen. Unwillkürlich schauderte ich. Von Campillo ging eine unglaubliche Kälte aus.
Ich reichte ihm nicht die Hand, sondern deutete auf einen Stuhl. »Setzt Euch!«
Er wartete, bis ich mich niedergelassen hatte, dann folgte er meinem Beispiel, legte die Hände auf die Tischplatte und schob sie ineinander.
»Was kann ich für Euch tun, Señor Campillo?« Die Nähe des Mannes war mir unheimlich.
»Ich bedauere es aufrichtig, daß ich Euch ohne vorherige Verständigung besuche. Es handelt sich um Villanovanus' Tod.«
Mein Mißtrauen erwachte. Das Auftauchen des Fremden kam mir sonderbar vor. »Hm, ich weiß, daß Villanovanus tot ist, aber weshalb kommt Ihr zu mir?«
»Ihr wart sein Schüler«, stellte er einfach fest.
»Ihr irrt Euch. Ich war mit ihm flüchtig bekannt, mehr nicht.«
Ich mußte vorsichtig sein. Dieser Campillo konnte von der Inquisition geschickt worden sein, die ja nur darauf lauerte, daß sie mich anklagen konnte.
»Ich war ein alter Freund von ihm. Ich kannte ihn schon, als er noch in Italien lebte. Ich weiß über seine Schüler Bescheid, und Ihr wart einer seiner begabtesten. Ich bin mit den Künsten der Weißen Magie bewandert. Ihr benötigt Hilfe, die ich Euch anbieten will.«
Ich blickte ihn aufmerksam an. Mein Mißtrauen hatte sich nur verstärkt. Ich wußte über die Freunde meines toten Lehrers Bescheid. Er hatte oft von ihnen gesprochen, aber nie einen Mann namens Vidal Campillo erwähnt.
»Ihr müßt Euch
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