022 - Schreie aus dem Sarg
Schulterblättern Bangouras steckte der lange blutverschmierte
Dolch, dessen Griff die dämonische Fratze irgendeines Götzen darstellte, die
Larry schon kannte. Ein ähnlicher Dolch lag im Sarg Nanettes.
Das Bett des Schwarzen war blutüberströmt. Nur auf die Tatsache, dass
Bangoura mit der linken Schulter an der Wand lehnte, war es zurückzuführen,
dass er aufrecht saß.
Brent schloss die Tür hinter sich und benachrichtigte von der nächsten
Telefonzelle aus die Polizei. Das war alles, was er tun konnte.
Ernst und verschlossen fuhr er in das Haus Luisons zurück und klopfte
dreimal an. Man öffnete ihm.
In wenigen Worten war das Notwendigste gesagt.
Schweiß bildete sich auf Luisons Stirn. »Wie denken Sie darüber, Monsieur
Brent?«
»Ich habe zwei Tage nichts anderes getan als nachgedacht, Monsieur Luison.
Jetzt heißt es auf die Dinge warten, die auf uns zukommen.« Er nahm seinen
Smith and Wesson Laser wieder aus den Händen Dr. Robertsons entgegen. »Und sie
werden kommen, seien Sie dessen gewiss! Ich werde die erste Wache in diesem
Zimmer übernehmen.«
Mit diesen Worten ging er hinüber zum Fenster, zog die Vorhänge ganz zurück
und warf einen Blick in den ausgedehnten Garten Luisons, bis hinüber zu den
Alleebäumen und dem hügeligen, savannenähnlichen Land, das sich anschloss.
In den Augen des Agenten stand nicht zu lesen, was er dachte.
Larry wusste, dass er sich auf ein großes Risiko eingelassen hatte ...
Die Nacht würde schaurig werden ...
●
Philipe Simonelle brauchte eine volle Minute, ehe er sich entschließen
konnte, diesem seltsamen Dr. Solifou Keita zuzusagen, den er nicht kannte.
»Es wäre mir angenehm, wenn Sie in das Hotel Olympic kommen würden. Ein kleines Haus in der Rue Muller. Setzen
Sie sich ins Foyer und nehmen Sie eine Zeitung in die Hand! Ich werde mich auf
irgendeine Weise an Sie wenden, wenn die Möglichkeit dazu besteht.«
»Warum so geheimnisvoll?«
»Das sollten Sie am besten wissen, Monsieur. Es geht hier nicht um ein harmloses
Spiel. Es geht um Leben und Tod!«
»Und wann wollen wir uns treffen?«
Simonelle war noch immer nicht ganz bei sich. Er redete, als hätte er einen
Kloß in der Kehle, und das Dröhnen in seinem Schädel wollte nicht verschwinden.
»Wenn es geht – sofort. Es ist sogar das Beste.«
»Aber es ist unmöglich, ich …«
»Wir haben nicht mehr viel Zeit, Monsieur.« Die Stimme war eindringlich
genug, um auch den größten Zweifler zu überzeugen.
»Ich erwarte Sie.« Ein Knacken in der Leitung. Schluss. Der andere hatte
aufgelegt.
Simonelles Mundwinkel klappten herab, als blitzartig der Gedanke an
Charlene auftauchte! Es war doch dunkel! Droben in der Dachkammer musste es
jeden Augenblick losgehen!
» Claudine ?«, hallte seine Stimme
durchs Haus. Er fluchte still vor sich hin und taumelte durch die dämmrigen
Zimmer. Warum zum Teufel, machte das Hausmädchen sich denn nicht bemerkbar?
Hatte sie denn schon wieder ihren freien Tag?
Nein, heute war Donnerstag ...
Er warf einen Blick in die Küche. Es war alles fein säuberlich aufgeräumt.
Vergebens machte er sich immer wieder Gedanken darüber, wie er eigentlich
hierher gekommen war. Aber er wusste es nicht mehr. Irgendwie hing das alles
mit Doktor de Freille zusammen. Aber selbst dieser Zusammenhang war ihm
entfallen.
Eine Hitzewelle durchflutete seinen Körper. War Gedächtnisschwund der erste
Schritt zum Wahnsinn? Die Dinge, die sich während der letzten Woche geradezu
gejagt hatten, waren dazu angetan, einen Geist zu verwirren.
Ich muss hinauf! drängten seine Gedanken wieder. Charlene ...
Simonelle rannte die Treppen hoch. Mechanisch warf er einen Blick auf seine
Armbanduhr. In wenigen Minuten war es halb zehn. Was war nur aus dem Tag
geworden? Zahllose Fragen drängten sich ihm auf. Würde Keita sie ihm
beantworten können? Was wusste dieser geheimnisvolle Anrufer von Jean-Pierre?
Sein Gehirn war wie ein träger, vollgesogener Schwamm. Das Denken fiel ihm
schwer. Es war eigenartig, dass einige Dinge ihm entschwunden waren, während
andere wieder klar und deutlich vor seinem geistigen Auge entstanden.
Er stand vor der Tür zur Dachkammer.
Der Schlüssel war an Ort und Stelle. Er beeilte sich, in das düstere Zimmer
zu kommen. Er musste wenigstens hier nach dem Rechten sehen.
Er fand Charlene reglos im Sarg. Der Deckel stand an der Seite der Couch.
Nichts war verändert.
Ihm entgingen die Glasscherben auf dem Boden unter dem verhangenen Fenster
...
Und
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