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022

Titel: 022 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flucht vor dem Teufel
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erschüttert. „Du magst sehr gut mein Sohn sein, aber du bist nicht der von Glynis!"
    „Und ich weiß nicht, wer auf deinem Kirchhof begraben ist, Mylord, aber gewiss nicht Aeldrids Tochter. Glynis sprach mit mir", fuhr Roger fort, die Stimme senkend und einen so sachlichen Ton wie möglich anschlagend, „an dem Tag, an dem ich in den Dienst beim Eroberer trat, und sie sagte, ich müsse mich Gilbert de Nantes'
    wegen nicht schämen. Ich sei nicht sein Sohn." Roger richtete die Augen auf den Grafen, und sein Schmerz war offenkundig. „Fünfzehn Jahre lang hatte ich in Gilberts Haus gelebt und war wenig besser als ein Stalljunge behandelt worden, obwohl Gilbert mich anerkannt hatte. Ich habe miterlebt, wie meine Mutter als seine Buhle verachtet wurde. Sie hat dieses Leben geführt, um für mich zu sorgen, Mylord. Damals hat sie mir nicht erzählt, wer mein Vater ist, denn sonst hätte ich dich schon vor langer Zeit aufgesucht, Mylord, und dich gefragt, warum du zugelassen hast, dass Gilbert sie sich nimmt. Erst vor einigen Monaten hat sie mir erzählt, dass du mein Vater bist. Und es hat sie sehr geschmerzt zu wissen, dass ich Lea herbringen wollte." Langsam atmete Roger aus, um den Ärger zu beherrschen, der ihn erregte. „Ich weiß nicht, wer auf deinem Kirchhof liegt", wiederholte er,
    „aber Glynis lebt!"
    Richard de Briones Hände zitterten, und seine Kiefer bewegten sich, während er darum kämpfte, sich die Fassung zu bewahren. „Brian sagte, du hättest ihn an Glynis erinnert", murmelte er, „doch das kann nicht sein!"
    „Lass das Grab öffnen, Mylord, und du wirst sie nicht darin finden. Sie lebt nun bei den Nonnen von Abbeville. Sie ging dorthin, als ich in den Dienst beim Eroberer trat.
    Es hat sie sehr geschmerzt zu wissen", wiederholte Roger, „dass ich zu dir wollte, nach allem, was du ihr angetan hast."
    „Nein! Ich habe sie stets geliebt! Ich habe sie in der Obhut meiner Familie gelassen, Roger, als ich fortzog, um für William zu kämpfen. Als ich zurückkehrte, gab es nichts anderes als ihr Grab, das man mir zeigen konnte."
    „Nein, du wusstest, dass man vorhatte, sie an Gilbert zu verkaufen! Du warst ihrer überdrüssig!" sagte Roger anklagend.
    „Ich sage dir, sie ist tot!"
    „Lass ihr Grab öffnen und beweise es mir!"
    „Es wäre ein Sakrileg, die Totenruhe zu stören!"
    „Glynis ist nicht in dem Grab!"
    Die beiden Männer hatten sich erregt angeschrien. Roger trat einige Schritte zurück und versuchte erneut, seine Wut zu bezähmen. Er holte wieder tief Luft und atmete langsam aus, bis er mit ruhiger Stimme sagte: „Na schön, Mylord. Falls du Gottes Vergeltung fürchtest, dann gib mir eine Schaufel. Ich bin hinreichend sicher, dass meine Mutter in Abbeville lebt, so dass ich das Heil meiner unsterblichen Seele aufs Spiel setzen kann, um dir das zu beweisen."
    „So soll es sein! Ich warte nicht bis morgen. Du kannst jetzt mit hinuntergehen und es mir beweisen."
    Richard de Brione drehte sich auf dem Absatz um, stapfte aus dem Gemach und betrat den Korridor. Schweigend folgte Roger ihm, bis er beim Südturm anhielt. Der Graf nahm eine Pechfackel an sich, die in einem Fackelring qualmte, und machte dann eine schmale, ins Freie führende Tür auf.
    „Hier. Trag du das, und ich zeige dir den Weg."
    Man überquerte eine freie Fläche zwischen dem Turm und der Mauer. Vom dahinter liegenden See konnte man Frösche quaken hören, und das Wasser klatschte dort, wo die Insel erhöht worden war, gegen die aufgehäuften Felsbrocken. Harlowe rühmte sich einer kleinen Kirche, die innerhalb der Mauern errichtet worden war, als man die Burg erbaute. Richard machte einen kleinen Schuppen hinter der Kirche auf und kramte nach einer Schaufel. Er warf sie hinaus ins Gras und murmelte: „Da!
    Grabe!"
    „Wo?"
    „Die Gräber meiner Familie befinden sich unter dem Kirchenfußboden. Glynis hat man hier draußen beerdigt." Richard führte Roger um die Seite der Kirche zu einem Platz, der wie ein Garten wirkte. Eine von duftenden Rosenbüschen flankierte Steinbank stand in der Mitte. Der Graf ging dahinter und wies nach unten. „Hier.
    Glynis liegt hier."
    Da stand ein gemeißelter Stein, doch in der Dunkelheit konnte Roger die Inschrift nicht lesen. Richard schob das Gras beiseite und murmelte: „Der Stein markiert genau die Stelle, Roger. Ich habe ihn aufstellen lassen, als ich Graf wurde."
    Unsicher, was gefunden werden würde, bekreuzigte Roger sich und murmelte ein Gebet, ehe er zu graben

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