022
Gilbert, weit weg von Fontainebleau. Ihren Bruder, Roger FitzGilbert, gab es nicht mehr. Ihr zukünftiger Gatte, Roger de Brione, würde ihr eine Zukunft ermöglichen, die frei von Angst war. Sie würde ihn heiraten und versuchen, ihm einen Erben zu schenken.
Eleanor verbrachte den größten Teil ihres Hochzeitstages damit, gebadet zu werden, das Haar gewaschen und getrocknet und mit Geißblattessenz eingerieben zu bekommen. Sie trug ein einfaches Kleid in ihrer Lieblingsfarbe - purpurfarbener, golddurchwirkter Seide -, und Rogers Hochzeitsgeschenke, den Gürtel und den goldenen Stirnreif. Um zu beten, hatte sie einen Rosenkranz aus Gold und Perlen in den Händen.
Eine Magd reagierte auf ein Klopfen an der Tür und ließ nach kurzem Wortwechsel den Grafen eintreten. Er kam in den Raum und betrachtete anerkennend Eleanor, ehe er ihr ein Pergament aushändigte, das sein Siegel trug. Überrascht schaute sie ihn an, ehe sie die Aufmerksamkeit auf das Dokument richtete. Er sah sie vor Vergnügen erröten, als sie den Text las.
„Ich begreife nicht. . .", fing sie an, nachdem sie die Zeilen gelesen hatte.
„Das ist klar genug." Er lächelte. „Du warst in Sorge, weil du deinem Gatten nichts einbringst, Eleanor. Daher habe ich dir eine Mitgift gegeben."
„Aber. . ."
„Still, Kind. Ehe du und Roger nach Harlowe kamt, hatte ich nichts außer Land und Reichtum. Jetzt habe ich einen Sohn und Erben." Richard neigte sich vor und drückte Eleanor einen väterlichen Kuss auf die Wange. „Jetzt habe ich einen Sohn und eine Schwiegertochter, Eleanor." Er entfernte sich und starrte aus dem Fenster auf den friedlich daliegenden See, dessen Wellen an die Fundamente der Burg schwappten.
„Ja, sobald du und Roger vermählt seid, reise ich nach London, um den Beweis für meine Hochzeit zu führen und Rufus zu bitten, meinen Erben anzuerkennen.
Nachdem das erledigt ist, reise ich nach Abbeville, um Glynis aufzusuchen."
„Ich hoffe, dass auch sie herkommt, Mylord", sagte Eleanor, „denn als Kind hatte ich sie von Herzen gern und habe sie immer noch gern. Wirst du ihr das bitte in meinem Namen sagen?"
„Das werde ich." Es gab ein Dutzend Fragen, die Richard dem vor ihm stehenden Mädchen gern gestellt hätte, doch er konnte sich nicht dazu überwinden, sie in Worte zu fassen. Eleanor schien seine Unschlüssigkeit gemerkt zu haben. „Mylord, frag Glynis nicht nach Gilbert. Sie hat ihn gehasst, und sie hasste auch ihr Leben in Nantes. Hätte sie die Mittel gehabt, Roger versorgt zu sehen, hätte sie Nantes längst vor dem Zeitpunkt verlassen, an dem sie das dann schließlich getan hat. Es war schwer für sie, in all den Jahren als Buhle meines Vaters bekannt zu sein." Da Richard nichts äußerte, nahm Eleanor sie noch mehr in Schutz: „Ja, und sie ist fortgezogen, sobald der Eroberer Roger in seinen Haushalt aufgenommen hatte, Mylord."
„Das bezweifele ich nicht, Demoiselle, und ich würde ihr Dinge wegen, an denen sie nichts ändern konnte, keine Vorwürfe machen. Falls jemand Schuld trägt, dann lastet diese Schuld auf mir und meiner Familie." Ein Lächeln erschien um Richards Mundwinkel, das dem Rogers sehr ähnlich war. „Und falls ich je einen Fürstreiter benötigen sollte, Eleanor, dann hoffe ich, dass du so loyal für mich sprechen wirst, wie du das für meine Gattin und meinen Sohn getan hast."
Die Glocken begannen zu läuten. Eleanor zuckte zusammen und klammerte die Finger fester um den Rosenkranz. „Es ist fast so weit, und ich bin nicht fertig!"
„Nein, Kind, geh so, wie du bist. Ich verspreche dir, Roger wird über deinen Anblick erfreut sein. Rannulf hat berichtet, Roger sei durch das Warten so gereizt wie ein Bär in der Grube." Mit väterlicher Geste rückte Richard das Stirnband auf Eleanors Kopf zurecht und erbot sich: „Ich führe dich."
„Ich wäre geehrt, Mylord."
Eine Kammerzofe drückte Eleanor ein kleines Brevier in die Hände. „Demoiselle, du musst gehen." Sie zupfte ihr den Rock des Kleides glatt und schob sie zur Tür. „Möge Gott dir wohlgesonnen sein, Mylady."
Nach dem ununterbrochen Regen am Vormittag waren die Wolken aufgerissen und ließen die gleißenden Sonnenstrahlen zur Erde fluten Richard ergriff Eleanors Hand und legte sie in seine Armbeuge, während er den Gang betrat. „Selbst der Himmel lächelt an diesem Tag für dich, Eleanor, um dir zu sagen, dass es richtig ist, was du tust."
„Ich hoffe, dass es richtig ist."
Richard ahnte ihre wachsende Anspannung und
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