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geöffnet, und König William Rufus schritt in den Raum, gefolgt von Robert de Belesme und Prinz Henry. Der Anblick des Grafen und des Königs beunruhigte Eleanor beinahe, bis sie Henrys Blick auffing. Der Prinz nickte und lächelte leicht.
Belesme war prächtig in Gold und Grün gewandet. Er schlug den Weg zu einem Stuhl an der anderen Seite des Raums ein, setzte sich und starrte Eleanor an. Sein Gesicht war kalt und reglos.
Kühl starrte sie zurück und widerstand dem Drang, sich an Roger zu klammern.
Schließlich war man in Westminster und von vielen Leuten umgeben. Außerdem gedachte sie nicht, Robert de Belesme merken zu lassen, dass sie ihn immer noch fürchtete, jetzt vielleicht mehr denn je. Inzwischen hatte sie die Tiefe ihrer Liebe zu Roger erkannt und wusste, dass er ihre Zuneigung mit gleicher Stärke erwiderte.
Diese Liebe war ein so kostbares Gut, das sie nie wieder verlieren wollte. Falls die Kirche ein Urteil gegen sie fällte . . . Sie wagte nicht einmal, daran zu denken. Sie wusste, dass sie Recht hatte, und sie war Rogers Gattin. Niemals würde sie Belesme heiraten.
Es war, als ahne er ihre Gedanken. Seine grünen Augen suchten ihre, und sein Blick hielt ihren fest. Sie konnte den triumphierenden Ausdruck darin sehen. Unwillkürlich lief ihr ein Frösteln über den Rücken, als Robert schließlich lächelte. Ihre Finger wanden sich um Rogers, und sie wurde mit einem beruhigenden Drücken belohnt.
Als Vorsitzender Richter des Tribunals erhob sich der Erzbischof von Canterbury, und alle Anwesenden taten es ihm
gleich. Er hob die Arme und flehte Gott um die notwendige Weisheit an, das Problem, dem man sich gegenübersah, richtig klären zu können, jedem ein offenes Herz und einen offenen Sinn zu geben und ihm das Gefühl für Gerechtigkeit zu verleihen. Und dann rief er Gottes Segen auf alle im Saal Versammelten herab.
Eleanor ahnte, dass Belesme sie während des Gebets nicht aus den Augen gelassen hatte.
Derweil man wieder die Plätze einnahm, überraschte es sie, die Äbtissin von Fontainebleau und zwei der Nonnen schweigend hereinkommen und sich in der Nähe der Seitentür hinsetzen zu sehen. Besorgt fragte sie sich, was die drei hier in London zu suchen haben mochten.
Die Kirchenmänner flüsterten kurz miteinander, und dann nickte der Bischof von Durham einem der Schreiber zu, der danach aufstand und sich der Menschenmenge zuwandte.
„Wir sind hier zusammengekommen, um den Fall der Lady Eleanor, Tochter des Grafen Gilbert von Nantes, zu untersuchen", sagte er in wichtigtuerischem Ton, „in der Absicht, zu entscheiden, ob sie die rechtmäßige Gattin des Roger de Brione, früher Roger FitzGilbert genannt, ist, oder ob sie die Verlobte des Robert Talvas, Graf von Belesme, ist." Er holte tief Luft und wandte sich an Belesme. „Als die Anklage erhebende Partei, Mylord, wird deine Aussage zuerst angehört werden. Du wirst dich erheben und näher treten."
Robert stand auf und nickte, ehe er sich zu einem Stuhl vor dem Podium begab, auf dem die Kirchenmänner saßen. Er wartete auf die Erlaubnis, sich hinsetzen zu dürfen.
„Nenne uns deinen Namen, Mylord."
Belesmes Augenbrauen wurden leicht hochgezogen. Robert starrte erneut Eleanor an, derweil er laut und vernehmlich sagte: „Robert Talvas, Comte de Belesme, Sieur de Mantes, Vyonne und Eisle."
Der Schreiber brachte einen kleinen goldenen Kasten zum Vorschein. „Mylord of Belesme, da drin liegt eine Reliquie der heiligen Katharina. Schwörst du darauf, dass du diesem Tribunal die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagen wirst?"
Roberts Blick schweifte durch den Raum und blieb flüchtig auf Eleanor haften. Dann legte Robert die Hand auf die Metallkiste. „Ja, das schwöre ich."
„So wahr Gott dir auf die Gefahr ewigen Verderbens für deine unsterbliche Seele helfe?"
„So wahr Gott mir helfe."
Der Schreiber nahm das Kästchen an sich, stellte es auf einen Tisch, der in der Nähe des päpstlichen Legaten stand, und setzte sich wieder. Belesme rückte seinen Stuhl näher ans Podium und ließ sich nieder.
„Mylord ..." Der Erzbischof beugte sich vor. „Das sind ernste Vorwürfe, die du gegen diese Frau erhebst. Feststellen zu müssen, dass sie nicht dieses Mannes rechtmäßige Gattin ist, hieße, feststellen zu müssen, dass sie des Ehebruches schuldig ist. Ist es das, was du durch diese Vernehmung erwartest?"
„Nein, ich möchte diese Frau noch immer haben. Ich glaube nicht, dass sie begriffen hat, die Meine zu sein, als
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