022
Wasser schwappte über die Seiten und spritzte auf den Steinfußboden.
„Wo fange ich an?"
„Nein. Setz dich dort hin und rede mit mir. Ich wasche mich selbst."
„Nein, du bist zu müde." Sie nahm die Seife und feuchtete Rogers Haar an. Dann schob sie die Finger in seine vollen, zerzausten blonden Locken. Anders als bei den meisten Normannen fiel ihm sein Haar nicht flach und gerade in die Stirn. Er sah so aus, wie sie sich vorstellte, dass Engel aussehen würden, abgesehen von dem zwei Tage alten Stoppelbart auf den Wangen und dem Kinn. Nachdem sie sicher war, dass sie sein Haar gründlich gereinigt hatte, begann sie, es auszuwaschen, zunächst mit dem Badewasser, dann mit dem klaren Wasser aus dem Krug, der neben dem Zuber stand. Derweil sie ein trockenes Tuch suchte, um Roger den Kopf abzutrocknen, seifte er sich zu Ende ein. Sie füllte den Krug wieder aus einem größeren und fing an, Wasser über seine Schultern zu schütten. Roger hatte den Kopf zurückgelehnt und wieder die Augen geschlossen. Ohne zu überlegen, neigte sie sich vor und berührte seine Lippen. Er riss die Augen auf und zog den Kopf ein.
„Bei den Minnemalen Christi, Lea! Lass das sein!"
„Warum? Du bist mein Bruder."
„Ich bin ein Mann."
Gekränkt stellte sie den Krug hin und wandte sich ab. „Es tut mir Leid, Roger. So habe ich das nicht gemeint. Ich habe nichts Falsches darin gesehen." Die dunklen Augen schimmerten wieder tränenfeucht, während sie schluckte, weil sie das Gefühl hatte, einen Kloß im Hals zu haben. „Ich wollte dich nicht beleidigen." Sie verschränkte die Hände auf dem Rücken und ging zur Tür.
Seufzend stieg Roger aus dem Wasser und holte sie ein. „Nein, Lea, du hast mich nicht beleidigt. Es ist nur, dass du ein solcher Unschuldsengel bist und nicht weißt, was du tust." Er legte eine nasse Hand auf ihre Schulter. „Ich bin nicht in allem das, wofür du mich hältst, und ich möchte dein Vertrauen nicht missbrauchen. In der Tat, ich möchte es wert sein
und mein Vertrauen in dich nicht verlieren." Plötzlich wurde seine Aufmerksamkeit von der rötlichgelben Stelle an ihrem Kinn angezogen. „Wie ist das passiert, Lea?"
„Belesme."
Roger wurde es wieder übel. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Robert sie überhaupt anfasste. „Ich schwöre, ich werde ihn dafür büßen lassen. Das schwöre ich!"
„Nein, wenn ich nur sicher vor ihm sein kann, werde ich die Sache als erledigt betrachten."
„Henry und ich sind einer Meinung. Ich werde dich nach England bringen, sobald ich einige Vorkehrungen zur Übergabe meiner Ländereien treffen kann."
„England? Übergabe deiner Ländereien? Roger, was sagst du da?"
Er ließ die Hand sinken. „Lea, ich bin zu müde, um dir heute Abend alles zu erzählen."
„Aber was ist mit deinen Ländereien?" fragte sie hartnäckig.
„Ich werde sie zurückbekommen, wenn alles erledigt ist", antwortete er, während er im Stillen daran dachte, das würde nur der Fall sein, wenn er die Durchführung seiner Pläne überlebte.
„Wenn alles erledigt ist?"
„Lea, lass mich in Ruhe! Ich habe dir gesagt, dass ich zu müde bin, um darüber zu reden."
„Roger, ich kann dich nichts tun lassen, was dich deine Ländereien kosten würde. Ich kenne den Preis zu gut, den du mit deinem Schwert und Blut dafür gezahlt hast." Sie ging hinter Roger und berührte erneut die Narbe auf seinem Rücken. „Du hast anderen Männern zuliebe dein Leben riskiert, um dorthin zu gelangen, wo du jetzt bist."
Wieder diese brennende Berührung. Schuldbewusst zuckte er zurück. „Lea, ich stehe hier nackt herum und friere, derweil du über Ländereien reden willst. Hol mir ein Hemd."
„Roger, bist du mir böse?" Eleanor rollte das Kleiderbündel auf und zog ein weißes Leinenhemd heraus. „Es sieht dir nicht ähnlich, so ärgerlich zu sein."
Er griff nach dem Hemd und zog es sich über den Kopf. „Ärgerlich? Nein, ich habe dir gesagt, dass ich müde bin." Wasserflecke bildeten sich auf dem Gewand, als der Stoff die letzten Reste des Badewassers von Rogers Haut aufsog. Roger schlug seine Decke zurück und ließ sich auf die schmale Bettstatt fallen. „Lass mich in Ruhe."
„Du hast noch nichts gegessen."
„Ich kann nichts essen." Er schloss die Augen und bettete den Kopf auf die Arme. Er konnte Eleanor fortgehen hören. „Wohin gehst du?"
„Ich lasse dich in Ruhe", antwortete sie schlicht.
„Nein, so habe ich das nicht gemeint. Setz dich zu mir."
Seufzend zog sie
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