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022

Titel: 022 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flucht vor dem Teufel
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er erwachsen wird und dich heiratet?"
    „Ich bin alt geworden."
    „Heißt das, du wirst mein Werben nicht in Betracht ziehen?" fragte er, Gekränktsein heuchelnd.
    „Nein, du brauchst ein Weib aus Fleisch und Blut, das dir nachts deine Knochen wärmt, mein junger Herr. Falls du mich heiratest, würdest du dich darüber beklagen, dass du meine wärmen musst."
    Interessiert beobachtete Margaret die Szene. Es war sieben Jahre her, seit sie Roger gesehen hatte, und sie war nicht auf die Art vorbereitet gewesen, wie er jetzt aussah. Mit fast dreiundzwanzig Jahren war er ein unglaublich stattlicher Mann, der gewiss bei allen Frauen Verlangen erwecken musste. Als er Margaret endlich bemerkte, atmete sie tief ein.
    „Ah, Margaret. Komm und gib deinem Bruder einen Willkommenskuss."
    Eleanor war verblüfft, weil er Maggie mit größerer Herzlichkeit als sie begrüßte. Sie musste sich abwenden, um ihren Kummer und ihre Eifersucht zu verhehlen. Etwas war mit
    diesem Roger, der nach Nantes gekommen war, ganz und gar nicht in Ordnung.
    „Hm!" Eleanor drehte sich um und schaute einen Reiter an. Er trug kein Wappen, aber sie hätte ihn überall erkannt.
    „Prinz Henry." Hastig knickste sie vor ihm.
    „Der Anstand schreibt vor, dass ich dich hochziehe, Demoiselle, aber du wirst Geduld haben müssen, derweil ich absitze. Denkst du, dass du deinen Kopf so lange gesenkt halten kannst?" Der Prinz grinste, während er sich aus dem Sattel schwang und mit vom Ritt müden Beinen auf sie zuging. In dem Moment, da er vor ihr stand, richtete sie sich auf. Ihm stockte der Atem, als er sie leibhaftig vor sich hatte. Du lieber Gott, sie konnte einen Mann wirklich erregen. Kein Wunder, dass Belesme sie haben wollte.
    Gilbert drängte sich vorwärts. „Prinz Henry! Wie kommst es, dass du hinter meinem Jungen hergeritten bist, Hoheit? Das ist unziemlich."
    „Ich wollte, dass seine Heimkehr in privaterem Rahmen stattfindet, Graf Gilbert. Ich bin mit ihm nur hierher geritten, weil ich ihm Gesellschaft leisten wollte. Ich treffe meinen Bruder in Rennes und habe beschlossen, nach Nantes zu reiten, damit ich Demoiselle Eleanor wiedersehen kann. Sie ist noch ebenso schön, wie ich sie in Erinnerung habe." Er hob ihre Hand an die Lippen und küsste leicht jeden Finger.
    Sowohl Roger als auch Gilbert furchten bei dieser Geste die Stirn. Henry zog die Kette hervor, die er unter dem einfachen Waffenrock trug, und an der Eleanors Haarnadel hing, die er zu einem Anhänger hatte verarbeiten lassen. „Sieh, liebreizende Eleanor. Ich habe sie immer noch."
    „Ein unbedeutendes Andenken, Hoheit."
    „Ich schätze es sehr und trage es, damit es mir Glück bringt."
    „Beachte ihn nicht, Lea", riet Roger ihr, „denn er schmeichelt allen Damen."
    „Bestimmt trägt er nicht von jeder ein Andenken", entgegnete sie.
    „Nein, denn wenn er das täte, wäre er nicht imstande, den Hals vom Erdboden hochzubekommen."
    „Beachte ihn nicht, Demoiselle. Ich mag mit den Damen schäkern, habe jedoch dich im Herzen."
    „Genug dieses Geschwätzes", mischte Margaret sich ein. „Bruder, stell mich und Adelicia dem Prinzen vor."
    Nachdem die jungen Damen Henry präsentiert worden waren, führte Gilbert Roger und seinen königlichen Gast zum Badehaus fort. Im Allgemeinen oblag der Dame des Hauses diese Aufgabe, doch Gilbert wollte nichts davon wissen, dass Eleanor sie übernahm, da Prinz Heniy einen derart schlechten Ruf als Verführer sowohl vornehmer Damen als auch Frauen von niedriger Herkunft hatte. Es wäre fatal, Eleanor zu Belesme zu schicken, wenn sie nicht mehr Jungfrau war.
    Der Rest des Vormittags verstrich, ebenso wie der größte Teil des Nachmittags.

    Zwischen Zweifeln und Verwirrung über Rogers eigenartiges Benehmen schwankend, ging Eleanor von einem Ende des Solars zum anderen. Konnte ihr Bruder, der ihr in diesen langen Jahren ihres Aufenthaltes im Kloster so treu gewesen war, jetzt vorhaben, sie im Stich zu lassen? Nein, das würde er nicht tun.
    Das konnte er nicht tun. Das durfte er nicht tun. Aber abgesehen von der kurzen Begrüßung im Burghof hatte sie ihn seit seiner Ankunft, in Nantes nicht gesehen.
    Vom Fenster aus bemerkte sie seinen Knappen, der zur Zisterne ging. Schnell lief sie zur Treppe und holte ihn im Burghof ein. Er fiel ehrerbietig auf ein Knie und senkte den blonden Kopf.
    „Demoiselle Eleanor. Bist du eine Vision oder leibhaftig?" Kaum waren ihm die Worte über die Lippen gekommen, kam er sich wie ein Dummkopf vor, weil er sie

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