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022

Titel: 022 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flucht vor dem Teufel
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nickte sie.
    Es dauerte lange, ehe er sich dazu überwinden konnte, etwas zu erwidern. „Nein", äußerte er schließlich, „es ist noch nicht an der Zeit."
    „Roger. . ."
    „Lea, was denkst du, warum ich vorhin aufgehört habe? Ich will dich im Hause Gottes heiraten, mit Zeugen, so dass niemand sagen kann, ich sei nicht mit dir vermählt. Vorhin war ich ein Narr. Was wäre, wenn du empfangen würdest und mir etwas widerführe? Man würde sagen, du seist meine Buhle, und das Kind sei ein Bastard. Das könnte ich nicht ertragen. Ich habe gesehen, was mit meiner Mutter und mir passiert ist. Nein, Lea, wenn du mir nur versprichst, mich zu heiraten, dann kann ich warten."
    Sie schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht."
    „Du lieber Himmel, Lea, du kannst mir beiliegen, mich aber nicht heiraten? Bei den Minnemalen Christi, Mädchen! Das ist Unsinn!!"
    „Aber vorhin ..."
    „Es war die Hitze meines Verlangens, die mich beherrscht hat. Du kannst gewiss nicht denken, dass ich dich lieber zur Buhle statt zur Gattin hätte."
    „Nein, aber ich kann niemanden heiraten", sagte sie hartnäckig.
    „Du lieber Himmel!" Entrüstet warf Roger die Hände hoch.
    „Hier, heb deine Arme", befahl er, „und zieh das an." Er hob das grüne Kleid auf und zog es ihr mit ungewohnter Grobheit über die Schultern. „Ich hole den Kamm."
    Als er zurückkehrte, war sein Ärger verschwunden. Gehorsam setzte Eleanor sich auf die Reste einer hochkant stehenden Bank und ließ ihn ihr volles, zerzaustes Haar bearbeiten. Seine Finger teilten die Strähnen und zupften die verfilzten Knoten aus, ehe er anfing, das Haar zu kämmen. Er war geduldiger und sachter als die meisten Kammerzofen, und schließlich waren seine Bemühungen erfolgreich. „Dein Haar ist schön, Lea", sagte er, „aber ich bin froh, dass ich meins kurz trage. Es ist ein Wunder, dass du vor Schmerzen nicht geschrien hast."
    „Ich bin daran gewöhnt."
    „Willst du einen Zopf, oder soll ich zwei Zöpfe machen?"
    „Das ist mir gleich, aber du musst das nicht tun."
    „Es ist leichter, einen zu machen", befand er, während er das volle Haar zu einem Zopf flocht, der Eleanor über den Rücken und fast bis zur Hüfte hing. „Ja, so wird es gehen, bis wir bei Walter sind."
    „Walter?"
    „Ja, das hätten wir gleich tun sollen. Walter untersteht der Hafen von Dieppe, und er hat dich gern. Robert de Belesme hasst er jedoch. Er ist ein de Clare und dein Verwandter. Seine Familie ist sowohl hier als auch in England sehr mächtig. Er würde es wagen."

    „Dann reisen wir immer noch nach England?"
    „Ja." Überrascht zog Roger eine Braue hoch. „Ich stehe zu meinem Eid. Hast du gedacht, ich hätte vor, dich bei Walter zu lassen? Nein, wir reisen wie geplant weiter."
    „Wenn ich aber nicht deine Schwester bin ..."
    „Du musst immer noch Belesme entkommen, Lea. Sobald du in Sicherheit bist, können wir entscheiden, was wir tun müssen." Roger schaute zum Himmel und furchte die Stirn. „Die Sonne sinkt bereits, und noch habe ich unser Abendessen nicht besorgt. Dreh du die Kleidungsstücke um und füll die Wasserschläuche, derweil ich die Fallen des Wilderers ausraube."
    „Soll ich wieder Feuer machen?"
    „Ja, diesmal werden wir versuchen, einen Eintopf zu machen. Gott weiß, ich werde Kaninchen leid sein, ganz gleich, wie sie zubereitet sind, bis wir Dieppe erreicht haben." Roger zog den Dolch, den er am Gürtel trug, und hielt ihn Eleanor mit dem Griff nach vorn hin. „Erinnerst du dich an ihn? Henry hat ihn mir an jenem Tag in Nantes gegeben. Nimm ihn zu deinem Schutz, und falls du etwas Ungewöhnliches siehst oder hörst, dann versteck dich zwischen den Bäumen, bis ich zurück bin."
    „Kann ich nicht mit dir kommen?" fragte sie beim Anblick der sinkenden Sonne.
    „Nein. Es ist möglich, dass ich unserem Wildererfreund begegne, und es könnte sein, dass er etwas gegen den Diebstahl seines Abendessens hat." Roger schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln und schüttelte den Kopf. „Ich möchte nicht vor deinen Augen jemanden töten müssen."
    Sie schaute ihm hinterher, als er im Wald verschwand, und wartete. Sie hatte viel Zeit, bis er zurückkehrte, in der sie tun konnte, worum er sie gebeten hatte. Daher setzte sie sich auf eine zusammengefallene Mauer und versuchte, ihre krausen und beunruhigenden Gedanken zu sammeln und sie einigermaßen vernünftig zu ordnen.
    Zunächst schien ihr Verstand nicht zum Denken fähig zu sein, und im Geiste hörte sie immer wieder Rogers

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