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022

Titel: 022 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flucht vor dem Teufel
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Worte: „Ich bin nicht mit dir verwandt! Ja, du bist nicht meine Schwester. Ich bin nicht dein Bruder."
    Um das überwältigende Gefühl, etwas verloren zu haben, auszugleichen, versuchte sie, sich auf das zu konzentrieren, was sie Roger bedeuten musste, so dass er alles, was er besaß, für den wagemutigen Plan, sie vor Belesme zu retten, aufgegeben hatte. Sie entsann sich seiner Briefe und Besuche, seiner Beständigkeit über all die Jahre hinweg, und staunte über seine Zielstrebigkeit. Bei der Erinnerung, was sie beide füreinander gewesen waren, schüttelte sie den Kopf und errötete sogar jetzt noch über die Dinge, die ihm zu sagen sie fähig gewesen war. Er war nie durch irgendeinen ihrer intimsten Gedanken gekränkt oder darüber entsetzt gewesen. Sie seufzte bedauernd bei der Erkenntnis, dass sie nie mehr fähig sein würde, zu ihm von Liebe und Leben zu reden, über Männer und Frauen, und das alles, weil sie einst mit einer Lüge gelebt hatten und nun die Wahrheit kannten.
    Die Wahrheit. Glynis hatte sie ihm an dem Tag gesagt, an dem Wilhelm der Eroberer sich eingeschaltet und gegen Robert de Belesme gestellt hatte. Eleanor hätte schwören können, dass er Bescheid gewusst hatte, als er ihr versprach, ihr Streiter zu sein. Damals hatte er sie vor dem, was Männer von ihr haben wollten, gewarnt, und doch war es nun, Jahre später, genau das, was auch er von ihr haben wollte.
    Sie zog die Beine auf die zusammengestürzte Mauer und schlang die Arme um die Knie. Nun, eine Sache war sicher. Sie und Roger konnten nicht zu dem Weg zurückkehren, den sie bisher gegangen waren, ganz gleich, was er sagte. Sie hatte gesehen, wie er sie angeschaut hatte, und seinen Körper an ihrem gefühlt, und sie würde nie die Leidenschaft vergessen, die er in ihr geweckt hatte. Nein, die Dinge würden nie mehr so sein wie bisher.
    Es wäre so leicht, ihn so zu lieben, wie er sich das wünschte. Nachdenklich ließ sie die Gedanken wandern und stellte sich vor, tatsächlich mit Roger zu schlafen. Ja, im Augenblick liebte er sie, und das Leben würde süß sein - vorläufig. So war das auch bei ihren Eltern gewesen. Nach allem, was man gehört hatte, war Gilbert in Mary de Clare vernarrt gewesen, als sie zu ihm gekommen war, und doch hatte es zwischen ihnen kaum etwas anderes als Widerwillen, ja, sogar Hass, gegeben, als sie starb.
    Und Eleanor war infolge ihrer Geburt der Anlass dafür gewesen. Nein, es würde besser sein, danach zu streben, das, was sie und Roger einmal füreinander gewesen waren, zu bewahren, statt ihn zu heiraten und das Risiko einzugehen, dass Liebe sich in Hass verwandelte.
    In der Ferne ertönte ein Jagdhorn, und sein Klang riss Eleanor in die Wirklichkeit zurück. Sie hielt den Atem an und wartete darauf, es wieder zu hören. Schnell griff sie nach Rogers Dolch und schloss die Hand darum, derweil ihre Augen sich auf das Dickicht richteten, wo sie Zuflucht suchen würde, falls der Klang des Jagdhorns näher kam. Es ertönte wieder, und dem Klang nach zu urteilen, war das Geräusch jetzt weiter entfernt gewesen. Eleanor entspannte sich und wandte ihre Aufmerksamkeit den Aufgaben zu, die Roger ihr aufgetragen hatte.

12. KAPITEL
    Eleanor und Roger saßen in der mit Wandbehängen geschmückten Großen Halle von Walter de Clares Herrenhaus und warteten. Es war ein behaglich ausgestatteter Raum, der mit Dingen möbliert war, die er von seinen Reisen nach Italien, Spanien, Portugal, an den Hof des Kaisers von Byzanz und ins Heilige Land mitgebracht hatte.
    „Ich sage dir, ich kenne keinen Richard of Clemence!"
    „Sieur, er möchte mit dir sprechen", sagte sein Haushofmeister drängend, „und ich konnte die beiden nicht abweisen, denn seine Frau steht kurz vor der Niederkunft."
    „Ein landloser Ritter, hast du gesagt! Bei den Minnemalen Christi, ich habe genügend Truppen und benötige keine weiteren Söldner."
    „Sieur, er sagte, ich solle dir das hier geben, falls du nicht überzeugt bist."
    „Du lieber Himmel! Heilige Mutter Maria!"

    „Ich werde allein mit den beiden reden", befand Walter, während er seinen Haushofmeister fortschickte, um die Besucher hereinzuführen.
    Beim ersten Blick auf Roger und Eleanor bereute er seinen Entschluss, mit den Fremden zu reden, denn allem Anschein nach hatte er nur einen verarmten Ritter und eine hoch schwangere Frau vor sich. Er furchte die Stirn, als Roger und Eleanor sich ihm näherten.
    „Heilige Mutter Gottes! Du bist es! Hast du nicht gewusst, dass man die

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