0220 - Kampf mit der Mumie
wobei er dumpfe Worte murmelte.
Es waren alte Beschwörungsformeln, Geheimpapieren entnommen, die einem Menschen normalerweise nicht zugänglich gemacht werden, aber er hatte es geschafft, die Papiere zu bekommen.
Die Formel, einmal richtig ausgesprochen, weckte das Grauen.
Längst Vergessenes holte sie aus der Tiefe des Schreckens wieder an die Oberfläche, wo es die Angst säen sollte.
Das Wort, das am meisten fiel, war Anubis. Immer wieder wurde der unheimliche Totengott aus dem alten Ägypten angerufen, damit er ihnen die Kraft gab, Radamar, seinen Diener, ins Leben zu rufen.
Das Blut war noch frisch, und als sich die Stimme des Kapitäns steigerte, da schien es zu leuchten.
Sie näherten sich dem Ziel!
Plötzlich redete der Mann nicht mehr in seiner alten Sprache, er sprach jetzt Englisch.
»Du läßt den, der dir treu verbunden ist, nicht die Verwesung schauen. Du holst ihn hervor aus dem Reich der Toten. Du läßt seine Seele nicht im Stich, sondern bewahrst sie auf, so daß sie eines Tages oder am Ende der Zeiten wieder in den Körper hinabsteigen kann. Großer Anubis, so hole denn deinen Diener aus dem Reich der Toten zurück…«
Die letzten Sätze schrie er, und die Flammen der Kerzen begannen zu flackern. Sie führten einen bizarren Tanz auf, der ein Wechselspiel zwischen Licht und Schatten schuf, durch die Kabine geisterte und auch sein Muster über die Gesichter der anwesenden Menschen warf.
Nur der Kapitän erhob sich, während die anderen sitzenblieben.
Radamar streckte seine Arme aus, die Hände befanden sich über den Kerzen, und gleichzeitig nahm sein Gesicht einen anderen Ausdruck an. Es verwandelte sich.
Dabei entstand keine Grimasse, sondern ein anderer Kopf. Die Haare wurden weiß, einige fielen auch aus. Sie rieselten nach unten, trafen die Flammen und verbrannten knisternd. Die Haut im Gesicht wurde dünner. Sie spannte sich plötzlich hart um die Knochen, die Augen verschwanden tiefer in den Höhlen, als hätte sie jemand hineingedrückt. Dabei nahm die Haut noch einen grauen Farbton an, der an alte Asche erinnerte. Die Finger wurden spinnenartig lang, das Kinn fiel zurück, die Nase war nur noch ein Klumpen.
Aus Radamar, dem Kapitän, war ein anderer geworden.
Hochaufgerichtet stand er da. Vor der Beschwörung hatte er sich schon umgezogen. Er trug einen schwarzen Anzug, der ihm viel zu groß war, darunter ein altes Hemd und auch dunkle Schuhe. Er war ein anderer geworden oder einer, der die Rolle des Kapitäns nur immer gespielt hatte.
Aus seiner Kehle drang ein tiefes Grunzen. Es war das Zeichen für die knienden Männer, ihre Köpfe zu heben und ihn anzuschauen.
Sekundenlang sprach niemand etwas. Dann drang ein Schrei aus fünf Kehlen durch die Kabine und brach sich an der Decke sowie den Wänden.
»Du bist es!« rief Osmin und sprang auf. »Wir haben dir nicht umsonst vertraut. Du bist es tatsächlich!« Er riß mit seinen Worten die anderen mit, die sich ebenfalls vom Boden erhoben, auf Anubis schauten und dann ihren Herrn und Meister ansahen.
»Du hast ihn überwunden«, sagte Osmin, »deine Magie war stärker als die des großen Anubis. Jetzt kannst du endlich das erreichen, von dem du schon lange geträumt hast. Töte ihn. Töte Radamar, wie du es schon vor langer Zeit versucht hast.«
Der verwandelte Kapitän stieß ein Knurren aus. Er schüttelte den Kopf, so daß seine langen Haare flogen, und wandte sich abrupt um. Dann riß er mit einem Ruck die Tür auf, verließ die Kabine und schritt eine Leiter zum Hauptdeck hoch.
Es war inzwischen dämmrig geworden. Die grauen Wände hüllten die am Pier liegenden Schiffe ein. Auch die Stauer hatten ihre Arbeit geschafft, auf den neben der Alexandria liegenden Schiffen würde kein Handschlag mehr getan.
Dieser Teil des Hafens lag ruhig. Doch die Stille war mehr als trügerisch. Ein winziger Funke nur genügte schon, um eine uralte Feindschaft wieder aufflammen zu lassen…
***
Noch wußte keiner von ihnen so recht Bescheid. Kara hatte Andeutungen gemacht, mehr nicht. Sie hatte zwar die alte Geschichte erzählt, doch wie sie sich in der Gegenwart auswirken würde, das ahnten weder Suko noch Shao.
Ziemlich ratlos standen sie an Sukos Maschine und schauten sich an. Kara war gegangen. Sie wollte auch zum Hafen, dort Myxin treffen, damit sie gemeinsam versuchten, das Grauen zu stoppen.
»Und was machen wir?« fragte Shao.
»Fahren erst bei uns vorbei und schauen nach, ob sich John in der Wohnung befindet.«
Die
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