0222 - Letzter Gruß für einen G-man
wohl kaum ermordet worden. Sie hätten die Verbrecher einfach einlassen können, hätten ihre Belohnung kassiert und wären verschwunden. Auch die skrupellosesten Gangster morden nicht, wenn es sich vermeiden lässt.
Es blieben also nur noch die beiden Schlüssel übrig, die in dem Glaskästchen des Hauswarts hingen. Phil hatte bereits dasselbe überlegt, und so baten wir den Mann ganz harmlos, er möge uns doch dieses Kästchen oder Schränkchen einmal zeigen. Er war sofort dazu bereit und fuhr mit uns hinunter, wo er im Erdgeschoss hinter seiner Loge wohnte.
Unter der Tür zur Wohnung empfing uns eine Frau in heller Aufregung und wollte natürlich alles wissen. Ihr Mann sagte ihr energisch, sie möge den Mund halten, er werde ihr das Nötige schon noch erzählen.
Dann führte er uns in sein kleines Büro, während die Frau in die Küche rannte, um, wie sie sagte, eine Tasse Kaffee zu holen. Im Handumdrehen war sie wieder da, und wir mussten feststellen, dass der Kaffee gut und stark war. Nach all den Drinks, die wir bei Bill Cuylers geschluckt hatten, tat es uns außerordentlich wohl.
»Wo ist eigentlich Jessy?«, fragte der Hauswart, der - wie ich auf dem Schild an der Tür gesehen hatte - George Mellwille hieß.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete seine Frau in weinerlichem Ton. »Du weißt ja doch, dass sie macht, was sie will. Daran bist nur du schuld. Du hast sie immer nur verwöhnt und nachgegeben. Hinter die Ohren hättest du ihr schlagen sollen.«
»Wie alt ist denn Ihre Tochter?«, fragte mein Freund lächelnd.
Die Frau war genau der Typ, der ein Mädel von fünfundzwanzig Jahren wie eine Fünfjährige behandelt.
»Jessy? Jessy ist ganze siebzehn Jahre alt und jede Nacht auf Bummel. Ihr Unglück ist es, dass sie zu hübsch ist. Sie sieht genau aus wie ich vor zweiundvierzig Jahren, aber mich hätten meine Eltern totgeschlagen, wenn ich dauernd mit Männern herumgezogen wäre. Wenn es noch Jungens in ihrem Alter wären, so würde ich gar nichts sagen, aber sie läuft dauernd mit Männern, die doppelt und dreimal so alt sind wie sie.«
Ich hatte während dieser ganzen Unterhaltung das bewusste Schränkchen ins Auge gefasst und festgestellt, dass die beiden Schlüssel friedlich hinter der unbeschädigten Glasscheibe hingen. Ich blieb eigentlich nur noch, um meinen Kaffee auszutrinken. Von dem Ehepaar hatte ich den Eindruck gewonnen, dass es unbedingt vertrauenswürdig sei, und ich war gewohnt, mich auf meine Menschenkenntnis zu verlassen.
Da erklangen plötzlich schnelle, klappernde Schritte, die Tür flog auf und auf der Schwelle stand ein süßes, junges Ding, das die Ähnlichkeit mit seiner im Laufe der Jahrzehnte in die Breite gegangenen Mutter nicht verleugnen konnte.
»Oh! Ihr schlaft noch nicht«, rief die Kleine erstaunt, und dann bemerkte sie Phil und mich und ein Ausdruck, den ich nicht zu deuten wusste, glitt über ihr Gesicht.
»Nein, wir schlafen noch nicht«, knurrte Jessys Vater. »Und wenn ich dir jetzt nicht rechts und links hinter die Ohren schlage, so hast du es nur der Gegenwart dieser beiden Herren von der Bundespolizei zu verdanken. Ich kann ja meine siebzehnjährige Tochter nicht im Beisein von zwei G-man verprügeln. Aber warte nur. Du bekommst deinen Teil noch.«
Das Mädel sphien doch mehr Angst vor ihrem polternden Vater zu haben, als ihre Mutter glaubte. Sie wurde ganz weiß im Gesicht und machte eine Bewegung, als wolle sie schleunigst wieder verschwinden, aber da hatte Mrs. Mellwille sie bereits am Arm gepackt.
»Das könnte dir so passen, du schlechtes Stück. Einfach ausrücken. Aber das hat jetzt ein Ende. Was hältst du davon, wenn die beiden G-man dich mitnehmen und du in ein Jugendgefängnis gesperrt wirst? Du bist noch minderjährig. Vorläufig tanzt du mir nicht auf der Nase herum.«
Jessy blickte sich um wie ein in die Enge getriebenes Tier, das keinen Ausweg mehr weiß. Dann machte sie plötzlich den verzweifelten Versuch, sich von ihrer Mutter loszureißen.
Es klatschte zweimal. Ich hatte die Bewegung gar nicht gesehen, ich sah nur die roten Male auf Jessys Wange. Ich hörte sie heulen wie eine Katze, der man auf den Schwanz getreten hat und die 38 beschwichtigende Stimme ihres Vaters. »Aber Kate. Es ist doch nicht nötig, dass das gerade jetzt geschieht.«
Mrs. Mellwille machte ein bitter böses Gesicht, aber sie gab keine Antwort. Jessy weinte und jammerte immer noch, und ich hatte sie im Verdacht, sie spiele Theater, um bei ihrem Vater Mitleid zu
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