0223 - In den Krallen der roten Vampire
Kommissar«, sagte Frau Bouillon, die Will sehr wohl verstanden hatte. »Nicht in Abwesenheit meines Gatten. Das müssen Sie verstehen.«
»Natürlich, es war auch nur ein Gedankenimpuls. Mehr nicht, gnädige Frau.«
Ich dachte daran, daß die Fledermaus wohl uralt sein mochte, und fragte mich, ob sie so gut konserviert gewesen war, daß sie die Zeit über und auch jetzt noch erhalten blieb. Sie war nicht in einer sterilen Atmosphäre aufbewahrt worden. Viele Zeugen des Altertums zerfielen, wenn man sie aus ihrer ursprünglichen Umgebung wegholte. Das war bei dieser Fledermaus nicht der Fall, und es konnte gut sein, daß ihr Leben durch Schwarze Magie verlängert wurde.
»Hat Ihr Mann sich irgendwie über das Alter dieser Fledermaus ausgelassen?« erkundigte ich mich.
Frau Bouillon hob die Schultern. »Nicht wissenschaftlich genau. Dazu fehlte die Zeit.«
»Und ungefähr?«
»Seiner Schätzung nach vielleicht 100.000.«
»Jahre?« Es war mehr eine Feststellung, die Kommissar Mallmann von sich gab.
»Selbstverständlich.«
Wir schauten uns an. Das war schon etwas. Ich konnte nicht genau sagen, wann die Höhlen hier entstanden waren, aber da rechnete man auch mit Jahrmillionen und Jahrhunderttausenden. Demnach paßte die Fledermaus in die Rechnung.
Nur – hatte es diese Tiere da schon gegeben? Und dazu noch in roter Farbe? Irgendwie fühlte ich, daß es schwer, wenn nicht gar unmöglich sein würde, für dieses Phänomen eine naturwissenschaftliche Erklärung zu finden.
»War das eigentlich die einzige Fledermaus, die Ihr Mann gefunden hat?« wollte Will Mallmann wissen.
»Soviel mir bekannt ist, ja.«
»Weshalb ist er wieder zurückgegangen?«
»Sie kennen doch die Wissenschaftler.« Frau Bouillon sagte es mit einer gewissen Resignation. »Wenn die sich einmal etwas in den Kopf gesetzt haben, dann versuchen sie, es bis zum bitteren Ende durchzuziehen. Das ist hier genauso. Mein Mann ist von seinen Plänen einfach nicht abzubringen. Er will forschen und forschen.«
»Es könnten aber noch mehr dieser Fledermäuse in den Höhlen stecken?« Der Kommissar blieb bei seiner Fragestellung.
»Das sicherlich.«
Will warf uns einen fragenden Blick zu. Über seinen dunklen Augen hatte sich die hohe Stirn in Falten gelegt. Er war etwas schmaler geworden, der gute Kommissar. Die Wangenknochen zeichneten sich scharf unter der Haut ab, die Römernase stach aus dem Gesicht hervor wie ein kleiner Erker.
Den Blick des Kommissars verstand ich. Will wollte wahrscheinlich in die Höhlen einsteigen und sich dort einmal umschauen. Ich verfolgte ähnliche Pläne – aber ohne Führer?
Darüber sprach ich auch mit Will.
Die Frau des Professors hörte sehr genau zu. »Leider kann ich Ihnen nicht helfen«, sagte sie mit bedauernder Stimme. »Ich eigne mich nicht als Führer. Diese Höhlen habe ich nie betreten. Da müßten wir schon einen Assistenten des Professors holen. Aber der wohnt und arbeitet in Tübingen…«
»Nein, nein…« Ich schüttelte den Kopf. »So war das nicht gemeint. Ich hatte nur einen Gedankenkreislauf geschlossen. Allerdings hätte ich gern gewußt, wie weit es von hier bis zur Höhle ist.«
»Einige Kilometer nur. Vielleicht sieben oder acht. So genau weiß ich das auch nicht, Mr. Sinclair.«
»Ja, danke.« Ich wandte mich an Will. »Und wo ist dieses Verbrechen geschehen?«
»Auch nicht weit von hier.«
»Sprechen Sie von den schrecklichere Morden?« hakte Frau Bouillon nach.
»Ja, davon sprechen wir in der Tat.«
»Wissen Sie, Herr Kommissar, da ist ja noch etwas hinzugekommen, wie ich meine. Und zwar las ich in der Zeitung eine Vermißtenanzeige. Ein junger Mann ist verschwunden. Markus Küppers heißt er. Auch sein Wagen wurde nicht mehr aufgefunden.«
»Der junge Mann stammt von hier?« fragte ich.
»Aus dem Nachbardorf.« Die Frau räusperte sich. »Vielleicht hat dies etwas mit den beiden Morden zu tun, vielleicht…« Sie unterbrach sich mitten im Satz. Auch wir hörten nicht mehr zu, denn jeder von uns lauschte dem Geräusch nach, das sich schrecklich anhörte. Ein Jaulen und Heulen. In schaurigen Tönen jagte es durch den langsam anbrechenden Abend und trieb uns eine Gänsehaut auf den Rücken.
Wir schauten uns an.
»Wer kann das sein?« fragte Will.
»Der Hund«, erwiderte Suko. »Das ist der Hund, nicht wahr?« Er drehte den Kopf und schaute Frau Bouillon scharf und auch fragend an.
Die nickte heftig. »Ja, das ist der Hund. Aber was, um Himmels willen, ist
Weitere Kostenlose Bücher